Sizilien (TidPress) – Im Flugzeug von Mailand nach Palermo. Der Grauhaarige mit Halbglatze vor mir unterhält sich auf schwäbisch mit seinen Freunden über die Arbeit. Als sich der Flieger dem Flughafen „Falcone und Borsellino“ nähert, gibt sich der Novemberhimmel wolkenlos und die Sonne glitzert auf das Meer unter uns. In Reihe elf reißt der Schwabe die Hände hoch und springt von seinem Sitz: „Finalmente, Sicilia, la mia terra! Terra più bella ed unica al mondo!“ – „Endlich, Sizilien, mein Land! Das einzigartigste und schönste der Welt!“. Mit der Landung hat er sich innerhalb weniger Sekunden vom Schwaben in einen Vollblut-Sizilianer verwandelt.
Davon begegnen mir in den nächsten Tagen auf meiner Rundreise von Palermo in den Parco delle Madonie, dem nördlichen Teil der Insel in den Bergen, noch so einige Originale. Sie sind einzigartig ausdrucksvoll in ihrer Art und lachen gerne.
Abends ist Leben auf den Straßen von Palermo – sogar im Winter. Mit einem befreundeten Ehepaar aus Palermo spaziere ich in Richtung des berühmten Platzes Quattro Canti. Zwischen den Markständen der kleinen Seitenstraßen in der Altstadt spielen Kinder Fußball, Turnschuhe und leere Zigarettenschachteln liegen auf den Pflastersteinen, Jugendliche sitzen auf Holbänken und trinken Bier. Inmitten einer bunten Obstgalerie lächelt der Verkäufer, als er merkt, dass ich ihn fotografiere. Der Süßwarenverkäufer geht gebückt, doch stolz erzählt er mir von den berühmten Marzipanfrüchten Siziliens, die wie kleine Kunstwerke bunt unter der gelben Beleuchtung seines Standes glänzen.
„Das gibt es nur auf Sizilien!“, ruft er und hält mir sein „Panino con milza“ („Brötchen mit Kalbsmilz“) entgegen – stolz als wäre es seine Liebste. Er strahlt noch mehr als der orangenfarbene Schirm über seinem Stand. Nur wenige Sekunden später hält der Verkäufer Giuseppe Basile mich anstelle des Brötchens im Arm, während er verschiedene Witze und Posen für meine fotografierenden Freunde macht.
Novara di Sicilia- Käserollen statt Bowling! |
Asino: Die Müllabfuhr von Castelbuono |
Der Parco delle Madonie, der Naturpark der Bergkette Madonie, überrascht mit seiner einzigartigen Berglandschaft und unberührten Natur. Hier gibt es abgelegene Dörfer und wunderschöne, zu Hotels und Pensionen umgebaute Höfe und Klöster.
Castelbuono ist unser erstes Ziel. Das zehntausend Einwohner große Bergdorf aus dem Jahre 1269 ist bekannt für seine Süßspeisen, die Burg der Familie Ventimiglia und die Eselmüllabfuhr. „Ja, richtig!“, versichert uns Vincenzo Mazzola, der inmitten der Esel und ihrer Müllmänner in klassischer orangenfarbener Arbeitskleidung vor der Burg steht. Im Zentrum holen die mit eigens angefertigten Abfallkisten bepackten Esel den Hausmüll ab. Vincenzo führt uns Nuvola, eine 14-jährige Eseldame, vor. Mit einer Handbewegung und einem Lächeln lädt er mich ein, die traditionell bunt bemalte sizilianische Kutsche zu besteigen. Auch ins Umland unternehme er Eselausflüge mit den Touristen. Der Umweltbeauftragte des Dorfes Nicola D’Ippolito erzählt, die Esel seien mehr als eine Touristenattraktion. Ein Esel sei auch viel günstiger als ein Müllwagen.
Eine lange Serpentinenstrecke führt uns am nächsten Tag nach Novara di Sicilia. An der Straße steht Salvatore Bartolotta, ein Abgeordneter des Stadtrats, bereits winkend und stoppt unseren Reisebus. Er erinnert in Gestik und Mimik an Roberto Benigni. Hände und Gesichtsmuskeln stehen niemals still. „Wie schön, dass Sie hier in unser bezauberndes Dorf gekommen sind!“ Leider sei das Dorf in den letzten Jahren von 12.000 auf 1.500 Einwohner geschrumpft. – Das, obwohl die Dorfbewohner so einiges auf die Beine stellen, zum Beispiel das Käsespiel jedes Jahr an Karneval. Immer an Karneval rollen die einheimischen Spieler den seltenen und sehr kräftig schmeckenden Maiorchino-Käselaib durch die Gassen ihres Dorfes, erklärt uns der Laienschauspieler. Wie eine Bowlingkugel holt er mit dem Käse aus, bevor er ihn leicht auf den Boden rollen lässt. Salvatore, der Botschafter aus Leidenschaft, verabschiedet uns mit großen Armbewegungen und den Worten: „Pace, amore e salute“, „Frieden, Liebe und Gesundheit, die drei Sachen, auf die es im Leben ankommt!“
Die Gassen von Palermo |
Lago Poma, Der Pomasee |
Bei „La Manna di Zabbra“ in Pollina serviert der Besitzer des Restaurants und des mit Gästezimmern ausgestatten Hofes verschiedene typische Vorspeisen – ganz besonders geschmackvoll und einzigartig angerichtet. Signora, sage er auf Italienisch, unser Chefkoch spricht deutsch. Er würde sich so freuen, wenn sie ihn in der Küche besuchen. In seiner knallroten Kochjacke mit Goldknöpfen zwinkert mir Piero Ciappa schon entgegen, als ich vorsichtig um die Ecke schaue. Voller Freude bittet er mich in sein Küchenreich und erzählt mit badischem Akzent mir von seiner wunderbaren Zeit in Konstanz am Bodensee.
Egal wo, auf Sizilien treffe ich immer jemanden, der auch deutsch spricht. Aber das ist eine andere Geschichte.
Informationen über die Spezialitäten der Region: www.leviedeisapori.it
Marion Püning ist freie Print- und Fernsehjournalistin und schreibt seit Anfang 2010 für Terra Italia. Sie arbeitet für deutsche Tageszeitungen, Magazine und öffentlich-rechtliche Fernsehsender und porträtiert Menschen mit besonderen Geschichten. Vor allem auf ihren Reisen für TidPress in Italien begegnen ihr Originale, von denen sie in ihren Reiseberichten erzählt. Seit ihrem ersten Sprachkurs in Florenz und ihrem Politik-Studium in Turin liebt die Journalistin die italienische Küche und Kultur. Für „Gute Nachrichten!“ engagiert sie sich auf ihrer Homepage
Marion Püning Freie Journalistin
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29.01.2011