Rom (TidPress) – Die langen Schatten der Personen, die sich vor dem Quirinal-Palast aufhalten, erstrecken sich fast über den ganzen Platz. Am römischen Himmel geht die Sonne hinter der Kuppel der Peterskirche unter. Der Wind schneidet die Luft wie mit einen kalten Messer. Vor dem Eingang des majestätischen Palazzo hält ein Carabiniere Wache: Mit Geduld antwortet er auch auf alle Fragen, die ihm Touristen und Römer stellen. Eine kleine Ausstellung (bis 3. April) ermöglicht jeden Tag den Eingang in einen Saal der ehemaligen Residenz der Päpste. Mit Originalen u.a. von Torquato Tasso, Vittorio Alfieri und Alessandro Manzoni wird eine literarische Reise gefeiert, die von Dante bis zur Einigung Italiens 1861 reicht. 150 Jahre sind vergangen, aber die Italiener scheinen sich wenig für ihre Geschichte zu interessieren.
Vor dem Quirinal-Palast TidPress |
Sonnenuntergang hinter der Peterskirche TidPress |
Ganz anders sah es 1848 in manchen Köpfe aus. „Der Krieg für die Unabhängigkeit unseres Vaterlandes erfüllte uns mit Eifer und Freude. Welcher Krieg konnte gerechter sein, als der, in den wir zum Kampfe zogen? Weg mit den Fremden aus unserem geliebten Vaterland!“, schrieb Carlo Gianfelici in sein Tagebuch. Der junge Freiwillige war in einer Truppe der römischen Republik im Einsatz und bewegte sich im April 1848 in Richtung Vicenza, wo sie jedoch von den Österreichern geschlagen wurde. Seine kleine, klare Schrift bedeckt die Seiten eines Heftes mit Worten, die nicht die literarische Grazie der im Quirinal ausgestellten Manuskripte erreichen, aber die Macht haben, die jetzige Jahresfeier der Einigung Italiens mit Emotionen zu erfüllen.
Carlo war Sohn eines Carabiniere. Da er am Studium wenig Interesse zeigte, aber wohl „aus einer sittsamen Familie stammte, ein großer Mann war und ein eigenes Pferd besaß“, wurde er 1840 in den „Carabinieri Guardia Scelta dei Santi Palazzi“ eingesetzt. Italien war noch lange kein einheitlicher Staat, und Carlo erzählt, wie er damals anfing, „die Regierung der Priester“ zu hassen. „Aufgabe unserer Kompanie war nichts anderes, als die Paläste des Vatikans oder Quirinals zu bewachen. Wir sollten im Vorzimmer des päpstlichen Appartements bleiben und dem Papst auf den Reisen durch seinen Staat folgen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was ich in ungefähr sieben Jahre in diesen Palazzi gesehen habe…“
Der Carabiniere Carlo dachte aber nicht nur an Krieg. „Viele Künstler besuchten den Quirinal, und ich fragte sie über jene und andere Schätze aus, die im Palazzo aufbewahrt sind“. Um Carlos Spuren in Sachen Kunst zu folgen, kann man sich jeden Sonntagvormittag vor den Eingang des Quirinals anstellen. Das große Portal öffnet sich den Besuchern, und man kann durch Säle und Korridore laufen und die Pracht der goldene Stukkaturen, Gobelins, Möbel und Lüster bewundern. Der Quirinal ist ein Konzentrat königlicher Einrichtungen: Als Rom 1870 zur großen Freude Carlos endlich vom Königreich Italien annektiert wurde, holte sich der neue „Mieter“, Vittorio Emanuele II., die wertvollsten Wandteppiche und Bilder aus Florenz und Parma und anderen Schlössern herbei und schmückte damit seinen Palast. Als Hinterlassenschaft des Vatikans blieben imposante chinesische Vasen. Am Ende der Besichtigung, Punkt zwölf Uhr, wird für die Gäste ein Konzert organisiert. Die Cappella Paolina mit den Figuren von Heiligen, die im Trompe-l’oeil-Stil gemalt sind, und die reich geschmückte Decke bieten dazu den geeigneten Ort. Am 2. Juni, Italiens Nationalfeiertag, gibt es die Möglichkeit auch durch den Garten zu spazieren.
Die Grundriss des Quirinals verläuft parallel zur Via del Quirinale mit der „lunga manica“, einem fast metaphysischen, strengen Flur. Man blickt auf die hohen Palmen des Gartens, der am Hauptgebäude und dem vorstehenden Platz endet. Der Blick auf die Stadt von dieser Terrasse aus ist magisch, und wenn Carlo in seinem Tagebuch erzählt, wie er während seines Rom-Aufenthalts allmählich auch die Monumente der Stadt besichtigte und schätzte, kann man sich leicht vorstellen, wie er seine Spaziergänge an diesem bevorzugten Startpunkt begann. Ein Tipp, das noch heute sein Wert hat.
Der braune Tagebuch ist am Ende gestempelt und erzählt, wo es gekauft wurde. Das Schreibwarengeschäft auf der Via dei Baullari existiert nicht mehr, aber die Straße, die von Corso Vittorio Emanuele II. (der bereits zitierte König) zu Piazza Farnese führt, hat noch vieles vom echten Rom zu erzählen. Die engen Gassen, die die römische Bebauung teilen, sind ruhig, und viele Handwerker arbeiten hier in ihren „botteghe“ weiter. Carlo war ein begeisterte Kämpfer für die Freiheit, die Römer von heute sind aber eher Menschen, die achselzuckend durch das Leben schweifen und an Alles schon gewohnt zu sein scheinen.
Wenn man den Tiber direkt hinter den schönen Palazzo Farnese überquert, befindet man sich im Viertel Trastevere. Der Hügel Gianicolo erhebt sich direkt darüber. Carlo schreibt: „Die Franzosen hatten mit Dreistigkeit die Mauer der Stadt vor dem Vatikan und am Gianicolo erreicht. Sie wurden so empfangen, wie sie es verdienten. Wir fingen an diesem Tag an, Garibaldi zu verehren. Ich nahm einen Karabiner und begann zu schießen… „ (April 1849).
Die Reise für die Freiheit des Vaterlandes hat Carlo Gianfelici „hoch“ in den Norden und „tief“ in den Süden gebracht. Wir werden weiter seinen Spuren folgen: Italien feiert, aber hinter der Kulisse der Festlichkeiten unterstreichen Carlos Worte eine Tatsache: Die Freiheit ist keine private Angelegenheit und ist vor allem nie endgültig gewonnen.
Info:
Quirinal-Besichtigung: Sonntag (8.30 – 12.00 Uhr) vom Haupteingang auf der Piazza del Quirinale aus. Eintritt: 5 € (mit Konzert in der Cappella Paolina).
Der Quirinal ist geschlossen: 24. April, 1. Mai, 29. Mai, 18. Dezember, 25. Dezember und vom 26. Juni bis 18. September.
Bis 3. April 2011: “Viaggio tra i capolavori della letteratura italiana. Francesco De Sanctis e l’Unità d’Italia”. Von Dienstag bis Samstag 10.00 – 12.00 Uhr und 15.30 – 18.30 Uhr; Sonntag: 8.30 – 12.00 Uhr
www.quirinale.it
09.03.2011
Sala degli specchi Foto Quirinale |
Salone delle feste Foto Quirinale |