Text und Foto: Paolo Gianfelici
Venosa – Die Stadt Venosa ist faszinierend und zeitlos. Die Natur, die sie umgibt, ist auf den mit Weinbergen bedeckten Hügeln vor dem MonteVulture rau und zart zugleich. Alle rote Schattierungen, Braun, Gelb und Grün färben die Blätter der Reben. Ich befinde mich in einem schönen und leuchtenden, winterlichen Garten. Die Reihen von Aglianico-Reben beginnen an der Straße, die am Rand des Tales entlangführt, eine tiefe, steile Senke, die mit spontaner Vegetation bedeckt ist. Venosa, befindet sich weit entfernt auf einem Plateau. Die Stadt erscheint fern, geheimnisvoll und unerreichbar. Die Konturen des Schlosses, der Häuser und der Kirchen zeichnen sich gegen den Himmel ab. Die Abtei der Dreieinigkeit, die vom Rest der Stadt getrennt ist, taucht über den Bäumen und Sträuchern des Tals auf, das von der Sonne sandfarben erhellt wird.
Nach ein paar Augenblicken reiner Kontemplation und kann ich mit der Erkundung der Stadt Venosa beginne. Der lange Weg dahin umgeht das Tal und endet vor dem Schloss. Der kleine Platz davor ist ein Halbkreis mit einen Bogengang: eine sehr merkwürdige architektonische Struktur in der Region Basilikata. Im nationalen, archäologischen Museum der Burg kann man das Diadumeno, ein römisches Marmorwerk, bewundern, das in den Vereinigten Staaten gestohlen wurde und anschließend nach Italien zurückgebracht worden ist. Auf einigen Münzen, die hier geprägt wurden, hält Dionysos eine Weintraube: eine weitere Demonstration der tausendjährige Berufung der Stadt für den Wein. „Nunc est bibendum“, schrieb Horaz, der in Venosa im Jahr 65 v. Chr. geboren wurde
Ein Streifzug durch die Gassen von Venosa ist eine schöne Erfahrung. Man sieht fast keine Autos und sogar tagsüber nur wenige Leute. Es gibt nicht sehr viele Geschäfte. Das Pflaster besteht aus Steinplatten. Die Atmosphäre ist zeitlos. Ich verlasse das kleine Labyrinth der Gassen und sehe in der Ferne die Abtei der Dreieinigkeit. Ich nähere mich den römischen Bädern, wo ich Antonella Fusco, Expertin für die Kunstgeschichte von Venosa, treffe. Ohne sie wäre es viel schwieriger gewesen, die Bedeutung dieser römischen und mittelalterlichen Stätte, die etwas größer als ein Quadratkilometer ist, zu entschlüsseln. Hier verlief die Via Appia, die Rom mit Brindisi (und damit auch Griechenland und dem Osten) verband. Venusia entwickelte sich mit seinen Bädern, dem Amphitheater und den römischen Patrizierhäusern. Die Abtei der Dreieinigkeit hingegen ist vor allem mit dem Mittelalter verbunden, nämlich den Kreuzzügen, als Venosa auf dem Weg zum Heiligen Land an Bedeutung gewann.
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Ich erreiche die Stadt zu Fuß, als es fast Nacht ist. Eine Schafherde drängt in die Stadt und hält an einer Kreuzung mit dem Glockenturm der „Concattedrale Sant’Andrea“ im Hintergrund, bevor die Schafe nach links gehen und verschwinden. Ich laufe bis zu einem alten Waschhaus weiter: Ein großer brüllender Löwe aus Stein markiert den Platz. Der Stein an den Rändern des Beckens hat eine Vertiefung; er wurde während der Jahrhunderte durch das Waschen und Reiben der Kleidungen abgenutzt. Ein Denkmal der täglichen Arbeit.