Terra Italia

Die Renaissance von Marsala

Paolo Gianfelici

Das restaurierte Stadtzentrum und die surreale Atmosphäre des Spanischen Viertels von Marsala.




Laguna dello Stagnone
(Foto P. Gianfelici)

Marsala: das Mittelmeer
(Foto P.Gianfelici)

Marsala (Terra Italia) – Geht man von den am Meer gelegenen Straßenzügen mit ihren Weinkellern in das historische Stadtzentrum, findet man einen Ort vor, der immer schon die Besucher aus dem Norden überrascht hat: schöne Geschäfte, elegante Cafés, Gebäude, die bereits sorgfältig restauriert sind oder es gerade werden. Eine ruhige Atmosphäre voller Ordnung, Sauberkeit und ohne Autos in der Fußgängerzone lässt einen daran denken, sich vielleicht in einem Ort Mittelitaliens zu befinden, tausend Kilometer fern vom chaotischen Mezzogiorno und fern von der Provinz Trapani, einer der Provinzen mit dem stärksten Mafiaeinfluss.

Ich betrete den großen Hof des Gebäudekomplexes San Pietro, eines ehemaligen Benediktinerinnen-Klosters. Dieses Schmückstücks aus der Renaissance liegt wenige Schritte von der Mutterkirche entfernt. Im Spielsaal amüsieren sich sehr junge Touristen, während die Eltern die Museumssäle besichtigen, die der Archäologie, der Ortsgeschichte und der volkstümlichen Traditionen gewidmet sind. Und es gibt noch eine Bibliothek, eine Videothek, eine Phonothek und einen großen Tagungsraum. Diese öffentlichen Dienstleistungen sind heute fast überall in Europa üblich, jedoch nicht hier, wo die Restaurierungsarbeiten am Complesso San Pietro 25 Jahre gedauert haben. Zum Zwecke einer Bauspekulation verlangte ein gewisser Herr in seiner Anmaßung den Abriss des Denkmals und an seiner Stelle den Bau von Luxusappartements.

Das Spanische Viertel ist ein massiver, restaurierter Bau aus dem 16. Jahrhundert. In der Vergangenheit war es eine Kaserne, jetzt ist es der Sitz der Stadtverwaltung. Im Mittelpunkt des großen Innenhofs stehen vier jahrhundertealte, riesige und sehr grüne Bäume (Ficus Beniamini), an den Wänden befinden sich archäologische Fundstücke aus römischer Zeit. An diesem sehr ruhigen Ort vernimmt man nur das Sprudeln Wassers des alten Brunnens und das Geräusch von Schritten der seltenen Fußgänger. Ein surrealer Ort.

Wenn man Marsala durchquert, gelangt man von Überraschung zu Überraschung: vom früheren Konvent Carmine del Duecento, heute Sitz moderner Gemäldeausstellungen, zum Museum des punischen Schiffs mit den Überresten einer ca. 2250 Jahre alten Schaluppe aus Karthago, zum Museum der Arazzi fiamminghi (der flämischen Gobelins), einem Geschenk des spanischen Königs Philipp II. und schließlich zum Städtischen Theater aus dem 19. Jahrhundert, wo ich ein Konzert mit portugiesischem Fado gehört habe (Marsala und Porto sind vereint durch ihre weltbekannten Weine).

Die kulturelle Elite von Marsala sucht für die Stadt eine neue Identität in der Vergangenheit, als sie das Zentrum von Handelsbeziehungen im Mittelmeerraum war, bevor sie von der kriminellen Übermacht der Mafia erdrückt wurde, die überall präsent ist, wenngleich auf verborgene Weise. Die Symbolfigur dieser städtischen Wiedergeburt ist Notar Salvatore Lombardo, Bürgermeister der Stadt in den 1990-er Jahren und derzeit Präsident der Marsala-Weinstraße (www.stradavinomarsala.it ). Wein und Qualitätstourismus sind die Herausforderung für die Zukunft in einer Stadt, wo die Jugendarbeitslosigkeit bis zu 40% erreicht. Der Bereich des Weinbaus hat in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Auf dem Gebiet des Tourismus erfolgen die ersten Schritte, es lohnt sich aber die fast unbekannten Schätze jener Stadt zu „entdecken“, die Goethe als „Pforte Italiens“ bezeichnet hat.


Complesso San Pietro
(Foto P. Gianfelici)

Das Spanische Viertel
(Foto P. Gianfelici)
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