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Sizilien: Taorminas Luft

Der Sentiero di Goethe, den der Schriftsteller in „Italienische Reise“ beschrieben hat, ist ein fantastischer Pfad zwischen uralten Olivenbäumen und Aloen. Silbernen und goldenen Bänder, eine Installation der Architektin Maria Laura Galvano, hängen über Corso Umberto.

Sizilien: Taorminas Luft

Text und Fotos: Paolo Gianfelici

Taormina – Ein Aperitif auf der Terrasse des Restaurants „La Baronessa“ kann eine herrliche Gelegenheit sein, um den 180-Grad-Blick auf die Küste des Ionischen Meeres zu bewundern. Die Küste wird vom Vulkan Ätna dominiert und reicht bis Naxos, Catania und zur äußersten Spitze von Syrakus. Ich betrete den Barockpalast, der der Baronin von Policastrello gehörte, und tauche in die zauberhafte Atmosphäre von „Der Leopard“, dem historischen Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, ein: massive mit Gold- und Elfenbeinstuck umrahmte Türen, Deckenfresken mit ländlichen Szenen, Marmorkamine. Ich gehe auf die Terrasse und finde eine unwirkliche Atmosphäre vor. Ein dunkelgrauer bedrückender Mantel hängt über der Küste und dem Meer, vom antiken Theater bis zu den Gärten von Naxos erstreckt er sich und hüllt den Ätna in einen Dunst, der den Vulkan noch besorgniserregender macht. Nach einem erfrischenden Getränk (die Temperatur ist wegen des Sciroccos sehr hoch) spaziere ich den Corso Umberto hinunter. Er ist eng und mit Touristen und Einheimischen aus Taormina überfüllt, die ihre neu gewonnene Bewegungsfreiheit genießen.

Am Abend erreiche ich das antike Theater aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Es ist ein fantastischer und imposanter Ort mit dem Meer und der Küste als Kulisse. Ich klettere ganz nach oben in den Zuschauerraum. Das Nachtblau des Meeres ist mit dem des Himmels fast identisch. Rechts und links leuchten die geschwungenen Linien der Bucht.

Isola Bella, Foto Paolo Gianfelici
Isola Bella
Taormina, Foto Paolo Gianfelici

Ein paar Tage lang bleibt die Luft in Taormina schwül und der Himmel dunkelgrau. Eines Morgens trete ich auf den Balkon meines Zimmers im Hotel Excelsior, einem großen Belle-Epoque-Gebäude, das von Venedigs Ca’ d’Oro inspiriert ist, und entdecke, dass die Farben des Himmels und des Meeres endlich da sind. Genau wie ich sie erwartet hatte: blau und azurblau. Der Kegel des Ätnas ist klar, die Luft rein und frisch.

Ich gehe den Corso Umberto entlang. Die silbernen und goldenen Bänder, eine Installation der Architektin Maria Laura Galvano, hängen über der Straße. Durch die Windböen bewegen sie sich wie in einem fröhlichen Tanz. Die mehr als zehntausende Bänder entlang des fast zwei Kilometer langen Weges verwandeln sich vor meinen Augen in die Wellen des rauen Meeres und glänzen mit tausend Reflexen. Die Luft von Taormina ist erfüllt von den Düften der Gärten. Fast zufällig betrete ich den steilen Garten des Palazzo Duchi di Santo Stefano, ein von außen fast unsichtbares Juwel sizilianischer Gotik mit arabischen und normannischen Elementen.

Taormina hat viele versteckte Juwelen. Und das Vergnügen besteht darin, sie zufällig zu entdecken, indem man sich fernab der üblichen Routen bewegt. In der Nähe der Seilbahnstation, an der Straße, die zum Meer führt, gibt es ein Café mit einem kleinen Garten. Ich setze mich auf ein Sofa. Mein Blick schweift bis zur Küste Kalabriens. Eine angenehme Brise umhüllt mich. Vor mir, direkt am Abgrund zum Meere, steht ein riesiger Feigenkaktus. Unterhalb liegt die Isola Bella, ein Naturschutzgebiet, das so nah am Festland ist, dass es bei Ebbe zu Fuß erreicht werden kann.

Ich verabschiede mich von Taormina mit einem Spaziergang bei Sonnenuntergang. Er führt mich auf den Sentiero di Goethe, den der Schriftsteller in „Italienische Reise“ beschrieben hat. Es ist ein fantastischer Pfad zwischen uralten Olivenbäumen und Aloen, der 2019 eröffnet und aus mir unverständlichen Gründen sofort wieder geschlossen wurde. Von der Villa Comunale aus führt er ganz nach oben in den Zuschauerraum des antiken Theaters. Jeder Schritt schenkt ein neues Gefühl. So muss es dem großen Dichter und Naturforscher vor mehr als zwei Jahrhunderten ergangen sein.

Zurück in der Stadt, wie bereits am ersten Tag, genieße ich wieder den Blick von der Terrasse des Restaurants „La Baronessa“: vor den Augen die großzügig Schönheit, die die Formen und Farben Siziliens bieten.

Taormina, Palazzo Duchi di Santo Stefano, Foto Paolo Gianflici
Palazzo Duchi di Santo Stefano
Taormina, Foto Paolo Gianfelici
Taormina, Foto Paolo Gianfelici
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