Minori, der Zitronenweg
Text und Fotos: Elvira D’Ippoliti
Minori – Peppino und Stefano sind zwei Maultiere, die auf dem „Zitronenweg“ oberhalb von Minori die kostbaren Zitrusfrüchte tragen, die in den vielen Zitronenhainen der Gegend gepflückt werden. Der Mann, der die Säcke auf ihren Rücken lädt, betrachtet die Tiere mit Respekt, während er ihre Namen ausspricht, und das beruhigt mich angesichts der Alltäglichkeit der Tiere, die die Arbeit verrichten, die einst Frauen, die sogenannten „formichelle“ (Ameisen), machten. Vielleicht haben diese Arbeiterinnen nicht die Zeit gefunden, das Meer zu bewundern, das von unten mit seinem unglaublichen Blau eine Art Magnet für die Blicke ist, oder vielleicht hat das spektakuläre Panorama die Müdigkeit gelindert. Vor der kleinen Kirche von San Michele Arcangelo bleibe ich stehen – nach ungefähr vierhundert Stufen aufwärts. Der Weg zwischen den fruchttragenden Zitronenhainen, der Minori mit Maiori verbindet, beginnt hier. Ich genieße einen Moment die ruhige Atmosphäre und nehme sie als Ausgangspunkt für die Entdeckung von Minori und seiner Umgebung. Nachdem ich die „Sfusato“-Zitrone mit der Schale gekostet habe – der Name ist von der spitz zulaufenden Form abgeleitet – und ihre Süße geschätzt habe, sitze ich im Garten von Zio Tonino, um die wohlgeordnete Reihe der Zitronenbäume zu beobachten. Über den beiden parallelen Stammreihen bilden die Äste ein üppiges und grünes Blätterdach. Bald werden die großen Früchte hier hängen. Die Erde ist mit einem Teppich aus trockenen Blättern bedeckt. Die in einer Reihe angeordneten Baumstämme erscheinen mir wie ein magisches Portal, das mich in eine andere Dimension versetzen kann.
Wenn man weitergeht, kann man nach einem kleinen Brunnen auf einem Seitenweg das kleine Kloster San Nicola sehen, von dem aber nur eine Ruine bleibt. Es ist angenehmer weiterzulaufen, um den wunderbaren Blick auf das Capo d’Orso, die Bucht von Salerno und die Küste des Cilento zu genießen. Ich halte bei einem Haus an, wo neben der offenen Tür Handstickereien in einem Glasschrank ausgestellt sind. Ich schaue hinein und sehe eine Frau, die an einem runden Tisch sitzt und arbeitet. Ich sehe ihr Profil; hinter ihr öffnet sich eine Fenstertür zur Unendlichkeit des Himmels und des Meeres. Die Stickerin schaut nicht von ihrer Arbeit auf, und ich halte inne, um mich zu fragen, ob sie die Schönheit ihrer einfachen Gesten erkennt, die in einer so privilegierten Position spektakulär wirken. Bevor ich wieder Minori auf dem Rückweg erreiche, bleibe ich auf dem Aussichtspunkt „Mortella“ stehen und genieße, was die Stadt da unten sich in aller Ruhe erzählt. Die Dächer haben verschieden helle Ockertöne. Was mich überrascht, sind die Dachfenster einiger Häuser, die an einen eher nördlichen Stil erinnern. Der Glockenturm der Kirche Santa Trofimena wirkt von hier oben stolz und hoch aufragend, als wollte er die ganze Stadt unter seine schützenden Flügel nehmen. Minori sieht von diesem Aussichtspunkt aus klein, intim und sehr harmonisch aus: Eine spannende Einladung, sie tiefer kennenzulernen.