Terra Italia

Die geheimen Gärten Tuskiens

Paolo Gianfelici

Die von mächtigen Bäumen verborgenen barocken, metaphysischen und postmodernen Gärten der Villa Lina inmitten einer der urtümlichsten Gegenden Latiums. Die dekadente Atmosphäre der Insel Bisentina im Bolsenasee. Flora und Fauna beherrschen die Ruinen der Renaissancekirche und des Klosters. Die antike „pescheria“ der Etrusker, die im Fluss Marta Aale fischten, ist heute ein Gästehaus mit einem englischen Garten.


Villa Lina in Ronciglione

Vitorchiano (Terra Italia) – Es ist ein Irrtum zu behaupten, die Natur dieses Landstrichs sei in einer 3000-jährigen Geschichte von der Hand des Menschen völlig gezähmt. Man braucht nur im Morgengrauen auf der Via Cimina in Richtung Rom zu fahren und das Naturschutzgebiet am Lago di Vico oder die kaum 1000 m hohen, mit Kastanien- und Buchenwäldern bedeckten Monti Cimini zu durchqueren. Es ist eine bewegendes Erlebnis zu sehen, wie das Licht durch die Bäume bricht und sich auf der Oberfläche des Sees widerspiegelt. Überall herrscht eine irreale Stimmung der Ruhe und des Schweigens, und dies vor den Toren einer noch schlafenden Weltstadt, die aber bald aufwachen und sich in das Verkehrschaos stürzen wird. Man hat das Gefühl, dreitausend Jahre zurück in die Zeit der Etrusker versetzt zu sein.

Tuskien (it. Tuscia, d.h. die Provinz Viterbo und Teile der Provinzen Grosseto und Terni) war der Aufenthaltsort von Päpsten, Kardinälen und römischen Adeligen. Sehr bekannt sind zwei Werke des Architekten Vignola (1507-1573): der Palazzo Farnese in Caprarola mit seinem prächtigen italienischen Garten und der Palazzo Orsini in Bomarzo. Dieser ist von einen großen Park umgeben, der mit unförmigen, bizarren Statuen geschmückt ist, die mythologische Personen und fantastische Tiere darstellen. Schließlich gibt es noch die Renaissancevilla Lante in Bagnaia, die mehr als 20 ha Gärten und Park umfasst.

Die Gegend der Tuscia ist viel wilder und abwechslungsreicher als die nahe Campagna Romana. Die Abgeschiedenheit und gleichzeitig die Nachbarschaft zur Hauptstadt haben viele wohlhabende Familien angezogen, sich hier ihr Domizil zu wählen. Kürzlich wurden einige Wohnsitze für die Öffentlichkeit geöffnet. Die Besitzer begleiten die Gäste während der Besichtigung, erläutern die botanischen Arten und die Geschichte der Gebäude. In einigen Fällen ist ein Aufenthalt von einigen Tagen möglich, bei dem man sicher einzigartige Erlebnisse hat.

Die Villa Lina in Ronciglione ist von einem Park mit riesigen Gewächsen umgeben, wie z.B. dem Mammutbaum (Sequoia Sempervirens), der Magnolia Grandiflora und dem Lebensbaum (Thuja Gigantea). Der Park wurde in den Jahren 1920-1930 rekonstruiert und ist von unterschiedlichen Stilen geprägt: vom Barock Viterbos, von metaphysischen und postmodernen Einflüssen. Die Wohngebäude und der Park haben Generationen von Künstlern und Dichtern beherbergt, darunter Gabriele D’Annunzio. Nun stehen sie für raffinierte, individuelle Appartements und für Seminare zur Verfügung. In den Zimmern der Villa Lina haben die hier durchreisenden Personen deutlich sichtbare Spuren hinterlassen: Überall befinden sich Zeichnungen, Gemälde, Notizen, Skizzen; dabei herrscht aber keine museale Atmosphäre. Es scheint vielmehr, als sei die Arbeit am Abend zuvor unterbrochen worden. Im übrigen bereitet die Köchin des Hauses den Gästen aus Produkten des Landguts die typischen Gerichte der Küche von Viterbo zu. Info: www.villalina.com.

Die völlig in Privatbesitz befindliche Isola Bisentina, die größte Insel des Lago di Bolsena, ist mit einer Fähre zu erreichen. Auf ihr kann man den Park mit seinen Steineichen-, Ahorn-, Ulmen- und Eschenbäumen besichtigen, der von Fasanen, Hasen, Enten und Zugvögeln bevölkert ist. Der verwilderte, jedoch farbenprächtige Garten der Villa ist reich an Sträuchern und seltenen Pflanzen. Die dem hl. Jakobus und dem hl. Christophorus geweihte Renaissance-Kirche und das Franziskaner-Kloster sind nur noch Ruinen. Die dekadente Stimmung und das Vordringen der Natur, die hier die Oberhand über jegliches Menschenwerk gewinnt, machen den Besuch zu einem einzigartigen und bewegenden Erlebnis.

An der Mündung der Flusses Marta, der sich in den See ergießt, wurde vor 30 Jahren der Giardino della Cannara errichtet. Die Cannara war in der Antike eine etruskische Aalfangstelle (Pescheria). Auf den Grundmauern des mittelalterlichen Baus, einem Brückchen über den kleinen Bach, haben die augenblicklichen Eigentümer ihren Wohnsitz genommen, der auch „Bed and breakfast“ anbietet. Info: Via di Tuscanica, 01010 Marta (Viterbo) – Tel./Fax +39-0761-872121.
Weitere Auskünfte zu Reisen in Tuskien: www.promotuscia.it; E-Mail: info@promotuscia.it.


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