Die Station Salvator Rosa, Photo G.Mantova
Neapel (Terra Italia) – Diese Stadt ist wirklich voller Überraschungen. Obgleich seit mehr als einem halben Jahrhundert Europas Negativsymbol für Durcheinander und städtischen Verfall, bietet Neapel mit seiner neuen U-Bahn heutzutage ein Beispiel für Hochtechnologie, besondere ästhetische Werte, Stadtsanierung und -verschönerung.
Die Metro-Linie 1 von Neapel ist schon seit einem Jahr in Betrieb und soll die Unterstadt längs des Meers und des Hafens mit den Hügeln der Oberstadt verbinden; es wurde jedoch erst kürzlich die zentral gelegene Station an der Piazza Dante eingeweiht. Die Planer mussten enorme und ungewöhnliche Probleme lösen: einen Höhenunterschied von insgesamt 250 m und ein Terrain voller Hinterhalte und Überraschungen, teils mit Tuff-, teils mit Vulkangestein, reich an Geländespalten und Wasseradern. Die Gleise verlaufen in den Eingeweiden der Erde in mehr als 40 m Tiefe.
Wie alle mittelmeerischen Völker leben die Neapolitaner nicht gerne unterirdisch. Der Architekt der Station Salvator Rosa hat darum entschieden, dass die Wände der Tunnels und Gänge in einem schreienden Rosa gehalten werden, das den sonnigen Seelenzustand der Passagiere ausdrückt. Eine Vorliebe der Neapolitaner, die jedoch auf den Dachboden verbannt werden muss, ist die für Autos. In einem Gang haben die Künstler Perino & Vele vier Fiat 500 aus Eisen, Pappmaché und Kunstharz installiert. Ein langer Vorhang bedeckt sie – von nun an bewegt man sich nur noch per Metro. Heiterkeit, Selbst-Ironie, Sinn für den Tod in einem karnevalesken Klima (oberhalb der Rolltreppen befindet sich ein riesiges Gemälde mit Totenschädeln in einem rosa gefärbten Meer), dies sind die dominierenden Themen.
Verlässt man die Station, ist die Überraschung enorm: Die Vorderseiten grässlicher 15-stöckiger Wohnblöcke, die vor 30 Jahren gebaut wurden, sind jetzt mit Wandmalereien verziert. Aber nicht nur dies: Durch das Zusammenspiel verschiedener visueller Künste wurde ein Bühneneffekt realisiert: Malerei, Skulptur, Design und Ambiente spielen alle eine gleichberechtigte Rolle. Man muss wirklich einmal hingehen und dieses Wunderwerk anzuschauen: Einer von Bauspekulation zerstörten Stadtlandschaft wurde ein ästhetisches Gewicht verliehen, eine Stätte des Irrationalen hat Funktionalität erhalten.
Die Station an der Piazza Dante stammt vom Architekten Gae Aulenti. Wir sind hier im Herzen des historischen Zentrums, der Platz wird dominiert vom symmetrischen Halbkreis des von Luigi Vanvitelli in der Mitte des 18. Jahrhunderts entworfenen Palastes. Die Architektur des – Unten” versucht die des – Oben” zu betonen. Die Wände der Tunnels und Gänge sind mit Milchglas bedeckt, während das Glas der äußeren Strukturen, die mit Rolltreppen zur Piazza führen, durchsichtig ist.
Schließlich möchte ich noch eine Verhaltensnorm unterstreichen: Alle Stationen der neuen Metro sind äußerst sauber und aufgeräumt. Ich habe nicht einmal Graffitis an den Mauern gesehen. Die Architekten und die Künstler haben ein zweites Wunder verwirklicht: Es ist ihnen gelungen, in den Neapolitaner Liebe und Respekt für ein öffentliches Bauwerk zu wecken.
Info: Bis 30. Juni wird die “Napoli>Artecard” an den Bahnhöfen von Metro und Eisenbahn sowie an den Zeitungskiosken verkauft. Das Ticket berechtigt dazu, 60 Stunden lang die Transportmittel des öffentlichen Nahverkehrs zu benutzen und kostenlos zwei städtische Museen nach Wahl zu besuchen (50% Preisermäßigung in den sechs anderen Museen). Preis: 13 Euro. Jugendliche von 18-25 Jahren zahlen 8 Euro und haben freien Eintritt in alle sechs wichtigen Museen Neapels.
Die Station Salvator Rosa