Der päpstliche Friedens- und Kindersegen
Ritt auf dem Delphin zum Schutz der Meere
Viareggio (Terra Italia) – In diesen Tagen ist Viareggio unbestritten die Karnevalshochburg der Toskana, wenn nicht sogar ganz Italiens. Am Faschingsdienstag und an mehreren Sonntagen, letztmalig am 17. Februar, strömen gewaltige Menschenmassen aus weiter Entfernung in die Stadt an der Küste der Versilia. Wer mit dem Pkw anreist, kann von Glück reden, wenn er einen Parkplatz findet; Parksünder haben mit einer saftigen Strafgebühr zu rechnen. Schon Stunden vor dem Beginn des Umzugs versammelt sich eine gewaltige Menge Schaulustiger erwartungsvoll an der abgesperrten Strandpromenade, bis Böllerschüsse die grandiosen, oft mehrere Stockwerke hohen und bis zu 40 Tonnen schweren Faschingswagen in Bewegung setzen, deren ausgefeilte Mechanik bewirkt, dass sich die einzelnen Bauteile um die eigene Achse drehen oder auf und ab wippen. Zum Zuschauen und vor allem zum Fotografieren gibt es wohl keinen besseren Ausblick als das im 5. Stock des Hotels „President“ liegende Panorama-Restaurant, das zudem mit einer vorzüglichen Küche aufwarten kann.
Die prächtigste Pappmaché-Konstruktion des Karnevals 2002 trägt den Titel „L’altra metà del mondo“ (Die andere Hälfte der Welt). Der Wagen verfolgt als neues Konstruktionsprinzip die Lösung der Aufbauten von der Plattform und die Verlegung des Schwerpunkts der Architektur nach oben. In grotesken Anspielungen erinnern goldfarbene indianische Masken und barocke Säulen an die Zerrissenheit der modernen Welt zwischen Hunger und Überfluss, zwischen Kriegen und Umweltzerstörung. In großer Höhe schwebende Waagschalen verweisen auf das Ungleichgewicht in der Welt von heute.
Ein weiteres Gefährt mit der Überschrift „Repubblica delle banane“ (Bananenrepublik) stellt die spärlich bekleideten Tänzer einer südamerikanischen Diskothek vor. Unverkennbar ist damit die Regierungsmannschaft um Silvio Berlusconi gemeint, der mit einem selbstzufrieden Lächeln auf einer riesigen Banane thront, um von dort aus den Untertanen die Wohltaten seines „milden“ Regimes anzupreisen. – Besonders sarkastisch ist die Kritik am Präsidenten der Vereinigten Staaten ausgefallen. Unterstützt vom italienischen Regierungschef und von FIAT-Besitzer Agnelli, gehen Schlagstöcke schwingenden Milizionäre gegen dunkelhäutige Völker vor, die boshafte Karikaturen hoffentlich vergangener Zeiten in Gedächtnis zurückrufen. – Mit der Aureole des Petersdoms im Hintergrund ist Papst Johannes Paul II. die Hauptfigur des Wagens „La pace sia con voi“ (Der Friede sei mit euch). In alle Himmelsrichtungen davonfliegende Friedenstauben sollen diesen Segenswunsch in alle Welt tragen, allerdings mit der pikanten Zugabe von Babys, die es sich mangels Geburtenkontrolle auf dem Rücken der Friedensboten bequem gemacht haben
Unter den Gruppen zu Fuß fiel die als Gladiatoren verkleidete italienische Fußballmannschaft auf, deren markante Gesichtszüge, vor allem die von „Caesar“ Trapattoni, bei der kommenden Fußballweltmeisterschaft sicher weiterhin großes Aufsehen erregen werden. – Ähnlich „ausdrucksvolle“ Visagen haben die Pappkameraden der Gruppe „Veni vidi vici“ (Kam, sah und siegte), die satirisch die aktuelle Regierung mit ihren ideologischen bzw. historischen Attributen symbolisiert: Umberto Bossi präsentiert eine Standarte mit der Aufschrift „Padanische Legion“ als Anspielung auf die separatistischen Bestrebungen des Leaders der „Lega Nord“. Gianfranco Fini paradiert mit dem faschistischen Liktorenbündel in der einen und mit dem Schlagstock in der anderen Hand. Umgeben von Mikrophonen spielt Berlusconi den mit einem Lorbeerkranz geschmückten römischen Imperator, der von seinem (Holz-)Pferdegespann aus seine „frohe Botschaft“ verkündet.
Entsprechend dem Motto des diesjährigen Karnevals wurden auch Kinder in die Faschingsvorbereitungen einbezogen. Sie fertigten Poster mit pazifistischen Themen an, die vom Lions Club prämiert worden sind. Der Hauptgewinn, eine Reise in die Vereinigten Staaten, ging an Stefano Fratini aus San Sepolcro. In einem Manifest betont Sergio Staino, dass der Karneval 2002 die tragischen Ereignisse vom 11. September 2001 nicht gedankenlos ignorieren könne. Vielmehr solle er „den Stier bei den Hörnern packen“ und die Symbole von Gewalt und Terrorismus satirisch und übermütig verulken.
Die Bananenrepublik
Umberto Bossi als Anführer der Po-Legion