Text und Fotos: Paolo Gianfelici
Ein gedeckter Tisch inmitten einer schmalen Gasse im Zentrum von Perugia. Ein älterer Herr streckt seinen Arm aus, um das Weinglas zu füllen, das ihm ein Junge von der anderen Seite des Tisches reicht. Der Generationenwechsel wird auf einem Foto von Steve Mc Curry durch die Präsenz zweier Damen am Tisch verdeutlicht: die eine mit grauen Haaren, die andere jung, aber beide lachend. Auf dem Tisch stehen Brot, Wein, Schinken, Gemüse und andere Leckerbissen. Die Kulisse besteht in der typischen Steinmauer eines Hauses im Zentrum der Stadt. Ein Fest? Die Vorstellung eines Verlobten? Ein Familienereignis? Mc Curry lässt den Beobachter lange raten, aber eins steht bei der Betrachtung seines Fotos fest: In Umbrien isst man hervorragend, und gutes Essen bringt, wie bekannt, auch gute Laune mit sich.
Um den roten Faden dieser Tatsache nachzuvollziehen, fahre ich mit dem Auto in die Gegend von Valfabbrica unweit von Perugia. Loredana und Stefano begleiten mich durch eine unbefleckte, grüne Landschaft. Erster Halt: „La Rosa“, das Restaurant von Loredana. Die Rose ist ihre Mutter, die bis ans Ende des Essens nicht aus der Küche zu holen ist. Nach den „Antipasti“ (Ei mit Tartufo und Supplì) koste ich die hausgemachten Gnocchi mit Wildschweintomatensoße. Die Gnocchi sind saftig und zart. Loredana erzählt beim Essen, wie sie ihre Karriere bei einem berühmten Innenarchitekten aufgegeben hat. „Ich hatte nie Zeit für meine Kinder, und als ich auf das Grundstück, das meinen Großvater gehörte, wieder meine Füße im wahrsten Sinne stellte, habe ich verstanden, dass mein persönlicher Schatz hier liegt“. Ihre Idee hat sich nicht nur in der Kreation des Restaurants konkretisiert, sondern auch in einem Netz, das verschiedene Realitäten des Territoriums zusammenbringt und ein emotionelles Erlebnis für die Besucher verspricht. Stefano, der den unweit gelegenen Agriturismo „Le Dolci Colline“ besitzt, trägt zur Beschreibung des Projektes bei: „Meine Gäste werden während des Aufenthalts Teil der Familie. Wenn die Sonne scheint, schlage ich manchmal zum Beispiel vor, ein Picknick im Grünen zu machen. Das Land bringt die Leute zusammen, wie zur Zeit meines Großvaters, dessen Lebensstil ich mitteilen will“.
Loredana und Stefano erzählen weiter von ihrem Projekt; Was sie vermitteln, ist eine prickelnde Leidenschaft für ihre Arbeit, von der
man sich nur wünschen kann, sie wäre für ganz Italien ansteckend. „Ich erinnere mich an einen Besuch vor ein paar Monaten“, fügt
Stefano hinzu. „Eine Familie mit Kinder saß am Abendessen auf meinem Grundstück, und plötzlich hat einer der Kleinen den Himmel angeschaut und laut ausgerufen: Wie viele Sterne gibt es hier bei euch!“ Bei der Hauptspeise – gegrilltes Fleisch von Kalb und Schwein und Salsiccia – sind wir noch inmitten dieser faszinierende Erzählung. Um Frau Rosa später nach dem Geheimnis ihrer exzellenten Gerichte zu fragen, kommt sie aus ihrer Küche. Rosa lächelt: „Ich koche, wie ich es immer für meine Familie gemacht habe. Sie müssen noch das Dessert essen“.
Am Nachmittag stellt sich das Territorium von Valfabbrica mit verschiedenen anderen Unternehmen in Grünen vor. Im Agriturismo „Capanne Alte“ wohnt man in restaurierten Steinhäusern, in denen der Besitzer so an der ländlichen Vergangenheit hängt, dass er, wie in einem winzigen Museum, alle Objekte des Alltages aufhebt, die er im Haus gefunden hat. Im „Colle delle Meraviglie“ wird Vieh gezüchtet und Fleisch verarbeitet: Wo kann es am besten schmecken? Im „Castagna Alta“ haben die Urenkel die im Jahre 1890 begonnene Produktion von Extravergine Olivenöl wieder aufgenommen, um den Gästen des gleichnamigen Agriturismo das grüne Gold neben der bezaubernden Lage anzubieten. Die hervorragende Qualität dieses Öls lässt es weit über Umbriens und Italiens Grenzen bekannt werden. Auch ein Stück der italienischen Erfolgsbranche der Mode hat hier in der Nähe von Valfabrica ihr Zuhause gefunden. Der Sohn von Franca Fendi Andrea hat auf einem Hügel mit atemberaubendem Blick auf die umliegende Landschaft seinen modischen Keller „Le Corgne“ gebaut. Die schöne Innenarchitektur ist die perfekte Einleitung für die Qualität der Weine, die man beim Aperitif kosten kann. Der Himmel färbt sich schon rötlich als wir den Agriturismo „Giomici Bello“ erreichen: Der Hausherr empfängt die Gäste in seinem restaurierten „Borgo“ aus dem 11. Jahrhundert. Viel hat die Geschichte Umbriens zu erzählen. Seine heutige Lebenslust ist ein Versprechen für bezaubernde Aufenthalte.
Info Der amerikanische Starfotograf Steve Mc Curry stellt bis 5. Oktober seine Fotos über Umbrien und Perugia in der umbrischen Hauptstadt unter den Titel „Sensational Umbria“ aus. www.sensationalumbria.eu Ristorante “La Rosa” – Monteverde larosamonteverde@libero.it Agriturismo “Le Dolci Colline” – Poggio San Dionisio www.ledolcicolline.com Agriturismo „Capanne Alte“ www.capannealte.com „Colle delle Meraviglie“ www.colledellemeraviglie.it „Castagna Alta“ www.alfonsopriorelli.it (Olivenbauer seit 1890) Agriturismo “Giomici Bello” www.giomici.com