Beim Bummel durch die Gassen dieses
Landstrichs, wo beinahe 3000 Jahre Geschichte verdichtet sind, macht man
eine unvergessliche Erfahrung durch die Begegnung mit einer Vergangenheit,
die vor hundert Jahren stehen geblieben zu sein scheint. Denn nach dem Bau
des Arsenals der Militärflotte im Jahre 1883 und vor allem nach der
Errichtung des unmäßig großen Stahlwerks “Italsider” im Westen des
Festlands in den 60er Jahren ist die reichere und dynamischere Bevölkerung
Tarents nach Osten in neue Wohngebiete ausgewandert. Die Altstadt wurde
mit dem Durchstich eines künstlichen Kanals ein von einer Drehbrücke
überragtes Inselchen. Dieses präsentiert sich heute als ein Ort außerhalb
der Zeit, als ein Labyrinth von Gässchen, die von einsturzgefährdeten
Palästen und von Läden gesäumt sind, die Waren anbieten, die aus
Manufakturen des 19. Jahrhunderts zu stammen scheinen. Wahrlich, wenn man
die Emotionen jenes Jahrhunderts und das Treiben einer Seestadt Südeuropas
wieder erleben will, muss man hierher kommen und vielleicht den Besuch in
der Nähe des Rathauses bei der alten Apotheke an der Strandpromenade
beginnen, in der noch Schriftstücke ausgestellt sind, die Pflaster,
geheimnisvolle medizinische Pülverchen und Gifte ankündigen.
In der Altstadt herrscht jedoch nicht nur eine Atmosphäre “retro”, sondern
man sieht auch prächtige Kunstwerke. Wie die im 14.Jahrhundert erbaute
Kirche San Domenico Maggiore, die später durch eine imponierende barocke
Freitreppe bereichert wurde. Neben der Kirche befindet sich der kürzlich
restaurierte Palazzo Pantaleo (1770), Sitz des Nationalmuseums der Magna
Grecia.
Wer ein Freund des griechischen Theaters ist, darf nicht die “Lektüre” der
großen Keramik-Vasen versäumen, die einige Szenen der Tragödien des
Euripides und der Lustspiele anonymer Autoren darstellen. Die Schaukästen
des Museums beherbergen zahlreiche Diademe, Ohrgeschmeide und Armreife,
die in der Goldwerkstätte von Tarent im IV. und III. Jahrhundert vor Chr.
hergestellt worden sind.
Der Dom San Cataldo hat eine spätbarocke Fassade (1713). Der wertvollste
Kunstgegenstand ist jedoch der dem heiligen Schutzpatron geweihte barocke
“Cappellone”, ein “Schrein” aus Marmor mit Intarsienarbeiten. Das Material
kommt von archeologischen Funden, die man auf diesem Gelände gemacht hat.
Die Säulen des dorischen Tempels in der Nähe des Rathauses stellen das
bedeutendste monumentale Zeugnis des Vergangenheit der Magna Grecia dar.