Diese Malerei ist zum großen Teil gleichbedeutend mit dem, was wir heute Barock nennen. Der Marchese Vincenzo Giustiniani und sein Bruder, Kardinal Benedetto Giustiniani, hatten nach 1590 in ihrem Palast eine Sammlung von 600 Gemälden zusammengestellt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwangen wirtschaftliche Misserfolge und die von der napoleonischen Regierung auferlegten hohen Steuern die Nachkommen der Brüder Giustiniani zur Versteigerung der Sammlung auf Auktionen in Paris. Der wichtigste Käufer war der preußische König Friedrich Wilhelm III., der in den Besitz von 157 Gemälden kam. Als 1830 die von Schinkel entworfene Gemäldegalerie im Königlichen (heute: Alten) Museum von Berlin eröffnet wurde, stammten 75 der ausgestellten Bilder aus der Sammlung Giustiniani. Die naturalistischen Meisterwerke Caravaggios und seiner Schule stellten den zentralen Teil dieses Museums dar. Dank der Wiederentdeckung der Kataloge war es in den letzten vierzig Jahren möglich, den Inhalt der Sammlung der Brüder Giustiniani zu rekonstruieren, Dieser ist auf verschiedene Museen und Privatsammlungen verstreut, konzentriert sich aber vor allem auf die Gemäldegalerie von Berlin. Die am 26. Januar im Palazzo Giustiniani (dem heutigen Sitz der Präsidentschaft des Senats der Italienischen Republik) eröffnete Ausstellung umfasst den Kern der Sammlung. Sie zeigt etwa 70 Werke von Hauptvertretern der Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts; darunter sind auch einige Gemälde von Caravaggio (eigentlich Michelangelo Merisi, geb. 28.9.1573 in Caravaggio bei Bergamo; gest. 18.7.1610 in Porto Ercole). Es waren die Brüder Giustiniani selbst, die den jungen Maler aus der Lombardei entdeckten und seine Sicht der Wirklichkeit als Bezugspunkt für eine Erneuerung der europäischen Malerei vorschlugen. Die Ausstellung vereint zum ersten Mal “Amore vincitore” (heute in Berlin), “Il suonatore di liuto” (Ermitage, St. Petersburg), “Incoronazione di spine” (Kunsthistorisches Museum, Wien), “San Girolamo” (Kloster von Montserrat) und “Incredulità di San Tommaso” (Bildergalerie Sanssouci, Potsdam). Dieses Gemälde ist auch das Emblem der Ausstellung; Caravaggios Malkunst vermittelt dort in veristischer und gefühlsbetonter Weise, die erschaudern lässt, eine Empfindung davon, wie der Zeigefinger des Apostels die Wunde an Christi Seite berührt und in sie eindringt. Leider sind andere Meisterwerke Caravaggios aus der Sammlung Giustiniani 1945 beim Brand des Flakbunkers Friedrichshain von Berlin vernichtet worden. Die Ausstellung bleibt bis 26. Mai 2001 in Rom; sie wird dann vom 15. Juni bis 9. September in Berlin im Alten Museum gezeigt. Bei dieser Gelegenheit wird die geschichtliche Bedeutung der Sammlung Giustiniani für die Herausbildung der preußischen Sammlertätigkeit im früheren Berliner Königlichen Museum dokumentiert (einen virtuellen Besuch der Ausstellung ermöglicht das Internet-Portal www.inwind.it ). Derzeit wird das wichtige Informatik-Projet GIOVE (The Giustiniani Collection in a Virtual Environment) realisiert. An der Erstellung einer Database sind beteiligt: die Staatliche Universität Rom “La Sapienza”; die Freie Universität Berlin, die Gemäldegalerie Berlin, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Potsdam, und das Kunsthistorische Museum von Wien. Es handelt sich dabei um ein Forschungsinstrument, das Bilder, Daten, Dokumente und kritische Interpretationen zu sämtlichen Gemälden der ehemaligen Sammlung umfasst. Eine Beschreibung von GIOVE ist online verfügbar unter: http://userpage.fu-berlin.de/~giove/
Caravaggios Naturalismus. Ausstellungen in Rom und Berlin
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