Text und Fotos: Richard Brütting
Montefalco – In den Weingebieten Umbriens werden seit der Antike regionale Spezialitäten erzeugt, die sich in den letzten Jahrzehnten in Italien und anderen Ländern einen Namen gemacht haben, in Deutschland aber so gut wie unbekannt geblieben sind. Dies trifft beispielsweise auf die Rebsäfte der Anbauflächen um Montefalco zu, die neben dem Hauptort die Gemeinden Bevagna, Gualdo Cattaneo, Castel Ritaldi und Giano dell’Umbria umfassen. Anlässlich der vom örtlichen Weinkonsortium organisierten Veranstaltung „Enologica 2013“, die in einem heiteren Weinfest gipfelte, hatte ich Gelegenheit, mehrere Kellereien zu besuchen und an Weinverkostungen teilzunehmen, die mich von der hohen Qualität der präsentierten Weine überzeugten. Dabei kamen die Sorgen und Nöte der Winzer, aber auch ihr Engagement bei der Vinifikation und bei der Vermarktung ihrer Produkte zur Sprache. Denn in Deutschland finden sich, wie oft zu hören war, nur schwer Importeure für den Sagrantino; und 2013 wird wegen einer langen Regenperiode im Frühjahr und anschließender extremer Trockenheit ein Jahrgang mit stark vermindertem Ertrag sein.
Neben dem edlen „Montefalco Sagrantino“ werden in der von Eraldo Dentici geführten Kellerei „Rialto“ – wie sonst in der Gegend – auf der Grundlage ertragreicher Sangiovese-Trauben auch die Weine „Umbria Rosso“ (45% Sangiovese, 45% Sagrantino, 10% Merlot) und „Montefalco Rosso“ (70% Sangiovese, 15% Merlot, 15% Sagrantino) produziert. Der zu Experimenten neigende Kellermeister hat 2012 jedoch einen wohlschmeckenden neuen Rebensaft mit dem Namen „L’Infidele“ (der/die Untreue) kreiert, der zu 100% Sagrantino enthält. Die schon frühzeitig entblätterten Weinstöcke gedeihen auf lehmigen Kieselböden und liefern relativ unscheinbare blaue Trauben, die so gepflegt werden, dass die Beeren nicht zu dicht stehen. Sie werden von Signor Dentici ohne Schalen vergoren und ergeben dadurch einen strohgelben, leicht süßlichen Sagrantino mit 14,2% Alkoholgehalt. Da diese Art der Vinifikation ungewöhnlich ist, hat er den Namen eines „Abweichlers“ erhalten.
Ansporn zu Innovation und Vermittlung von Wissen waren auch die Themen, mit denen sich zwei Tagungen der aufwändig organisierten „Enologica 2013“ an die Weinproduzenten und ihr Umfeld wandten. Das mit namhaften Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik sowie Interessenvertretern besetzte Seminar „Sostenibilità = Competitività“ (Nachhaltigkeit = Konkurrenzfähigkeit) war auf die EXPO 2015 in Mailand ausgerichtet. Es stellte die Zehn Gebote der „Green Economy“ in den Mittelpunkt, u.a. Ressourcenschonung, Erhalt von Landschaft und Biodiversität, Dialog mit den Kunden und Engagement auf lokaler Ebene, Sicherheit am Arbeitsplatz und klare Herkunftsnachweise der Erzeugnisse.
Das Seminar „Essere per agire“ (Leben, um zu handeln) befasste sich – in der Nachfolge des einst im nahen Assisi wirkenden Hl. Franziskus – mit den ethischen und sozialen Aspekten von Arbeit und Unternehmensführung. Mehrere Redner stellten die Landschaft als Ökosystem zur Vermittlung von Identität und gesellschaftlichem Zusammenhalt heraus, betonten den Wert von Arbeit für das Selbstwertgefühl und forderten eine Erneuerung der sozialen Werte in der modernen Warenwelt. Referent war u.a. Antonio Tajani, der Vizepräsident der Europäischen Kommission und Europakommissar für Unternehmen und Industrie, der ankündigte, das Visaproblem auf europäischer Ebene neu zur Diskussion zu stellen. Es habe sich nämlich als großes Hemmnis für den sowohl ökonomisch wie sozial überaus bedeutsamen Tourismus erwiesen und hindere Menschen aus Ländern wie der Russische Föderation, nach Italien zu reisen.
Info: Italproget Bettona Tel. +39 075 9869071 www.italproget.it Rialto. Azienda agricola Via Casale – Località Rialto 06036 Montefalco Tel: +39 392 94 37 894 info@casalerialto.com www.casalerialto.com