Text und Fotos: Paolo Gianfelici
Alezio (Provinz Lecce) – Die Fahrräder stehen neben zwei Büschen, einem duftenden Jasmin und einer leuchtend lila Bougainvillea. Es ist neun Uhr, aber die Sonne scheint noch so stark wie an einem Sommermorgen (wir haben Ende Oktober). Giulia kommt pünktlich an. Sie ist eine fachkundige Begleiterin von www.salentobicitour.com; einem Reiseveranstalter, der sich auf Fahrradrouten entlang der Küste und im Salento (Provinz Lecce) spezialisiert hat. Wir starten vom Palazzo Castriota, einer Residenz aus dem 18. Jahrhundert, die jetzt in ein charmantes B&B umgewandelt wurde.
Man braucht nur ein paar hundert Meter auf Straßen mit weißen zweistöckigen Häusern in der typischen Architektur des Salento zu radeln, um das Stadtzentrum zu verlassen. Giulia nimmt die Landstraßen und hält kurz danach vor der Nekropole der Messapier, der antiken Bevölkerung der Salento-Halbinsel, die zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. aus Illyrien eingewandert sind, an. Wir besuchen das archäologische Gebiet des Monte d’Elia, das sich zwischen alten Olivenbäumen und Äckern befindet. Hier kann man im Sommer eine erfolgreiche Vorführung sehen: „Der Abstieg in die Unterwelt“ von der Hölle von Dante Alighieri.
Die Radroute führt auf engen Landstraßen, auf denen kaum Autoverkehr herrscht, weiter. Die Wege sind von alten, niedrigen Trockenmauern begrenzt. Ich halte an, um eine rote Katze zu fotografieren, die auf dem abgetrennten Stamm eines alten Olivenbaums kauert. Alle für Apulien typischen Sorten dieser Pflanze wurden entweder geschnitten oder warten darauf, gefällt zu werden. Die Xylella, das Bakterium, das das Austrocknen des Baumes verursacht, zerstört das Erbe eines Gebiets, das seit jeher für sein Olivenöl bekannt ist.
Die Straßen sind an den Seiten mit spontanen Sträuchern geschmückt: aromatische Kräuter wie Rosmarin mit kleinen weiß-lila Blüten, Thymian oder einer anderen mir unbekannten Sorte, deren Blätter beim Reiben einen intensiven Lakritzduft abgeben. An den Zweigen von Granatapfel, Jujube und Quitte hängen Früchte in verschiedenen Farben und Schattierungen.
Giovanni ist ein junger Agronom der Azienda Agricola Camerelle in Parabita. Er baut saisonale Bio-Produkte wie Erdbeeren, Salate und Auberginen an, aber beschäftigt sich auch mit Saatgut ausgewählter alten Sorten von Kirschtomaten und anderem Gemüse, die einst auf dem Territorium verbreitet waren und dann verschwunden sind. Der Verkauf erfolgt nur direkt. Wer einkauft, atmet auch die Luft der Landschaft. Giovannis Mutter bietet mir frischen Granatapfelsaft und in diesem Glas scheint mir die ganze Philosophie des Bauernhofes enthalten zu sein.
Wir radeln nach Tuglie weiter. Giulia kündigt mir einen Anstieg an, der mir durch die Temperatur, die nun fast 30 Grad erreicht hat, steiler erscheint als es wirklich ist. Die Fassade der Hauptkirche hat die rosa Farbe des typischen Lecce-Steins. Wir betreten das Café mit Blick auf den Platz, das für seinen Espresso mit Mandelmilch und viel Eis bekannt ist. Es ist sehr lecker. Ich verstehe den Erfolg dieses Getränks im Salento, wo der Sommer heiß und lang ist.
Die Region ist berühmt für ihre beiden Meere: die Adria und das Ionische Meer. Alezio ist sechs Kilometer von der Küste des Ionischen Meeres entfernt. Den nächsten Tag widme ich dem Besuch des Regionalen Naturparks Lido Pizzo. Das Gelände des Naturschutzgebietes (für Autos verboten) ist mit Sand bedeckt. Ich bewundere die vielen Pflanzen: Erdbeerbäume, Baumheide, Dornbesen, Myrte, Mastix, Seidelbast, Orchideen. Wir spazieren durch einen Wald aus Kiefern von Aleppo und kommen am Strand bei Sonnenuntergang an. Einige Touristen schwimmen immer noch im warmen und ruhigen Meer. Eine Gruppe von Radfahrern erreicht den Kiefernwald. In der Ferne, auf der anderen Seite des Golfs, sieht man leider einige weiße Gebäude. Es ist ein Glück, dass diese Oase der mediterranen Flora und Fauna existiert.
Ich kehre nach Alezio zurück. Der Platz ist für das Fest des Heiligen Rochus beleuchtet. Auf der Bühne spielt man die typische „pizzica“. Alle tanzen mit. Ich koste die Spezialitäten, die extra für das Fest vorbereitet werden. Wie der „scapece“, gebratener Fisch, Semmelbrösel, Essig und Safran, und viele andere Delikatessen aus dem Salento. Einige Freunde laden mich in ihr Haus aus dem neunzehnten Jahrhundert ein, das sich nur ein paar Schritte von der Kirche entfernt befindet. Die Familie lebt dort seit mehreren Generationen. Wir sitzen auf einer Veranda mit Blick auf den „geheimen“ Garten, der mit Pflanzen und Blumen geschmückt und von hohen Mauern umgeben ist. Wir sprechen über die Geschichte des Hauses, das Fest und unsere persönliche Eindrücke. Ich denke es ist ein Glück, dass es noch solche Orte auf der Welt gibt.
Comune di Alezio
www.comune.alezio.le.it