Text und Fotos: Paolo Gianfelici
Assisi – Der weiße Stein der Häuser und Kirchen der Stadt des Heiligen Franziskus ist bei Sonnenuntergang, nach dem Gewitter, in leuchtenden Gold- und Rosatönen gefärbt. Eine Viertelstunde zuvor musste ich mit dem Auto auf der Straße im dichten Wald an den Hängen des Monte Subasio wegen des heftigen Hagelsturms anhalten. Wenige Minuten danach in der Abenddämmerung in Assisi waren am Himmel nur wenige, der von der kühlen Brise verdünnten Wolken geblieben.
Die Türme und quadratischen Mauern der Rocca Minore bieten ein erstes Bild der Stadt, thronend und militärisch, das nicht der heiteren Atmosphäre (und der spirituellen für die Gläubigen) entspricht, die von jeder Straße, jedem Platz, jedem Stein ausgeht. Nach dem heftigen Sturm ist Assisi fast menschenleer und diese Stille, unterbrochen durch den Klang der Glocken zur Vesper, umhüllt es mit einer mystischen Aura.
Ich betrete die Stadt von der Porta dei Cappuccini und halte auf dem Platz der Kathedrale S. Rufino, um den majestätischen Glockenturm und die Fassade zu bewundern, ein Meisterwerk der umbrischen Romanik, das von den schrägen, gold-gelben Sonnenstrahlen beleuchtet wird. Zu beiden Seiten des Mittelportals stehen zwei monströse Tiere aus Stein, die die Köpfe zweier menschlicher Figuren zu verschlingen versuchen. Während ich sie fotografiere, öffnet eine junge Klarissen-Nonne die großen Holztüren, lächelt mich an und wünscht mir mit lauter Stimme: „Gute Pilgerreise!“.
Ich gehe weiter in Richtung Piazza del Comune (die mittelalterliche Piazza Grande) und bewundere den Brunnen, den Palazzo dei Priori und den Minerva-Tempel, eines der am besten erhaltenen Monumente der klassischen Welt. Wenn ich geradeaus gehe, kann ich im Hintergrund die Fassade der Oberen Basilika des Heiligen Franziskus sehen. Die Häuser von Assisi bilden die Kulisse der Kirche. Ich werfe einen Blick zwischen die Häuser, wo der Blick auf die Ebene, die Hügel und die Berge schweift: Es ist fast Nacht, aber ich kann deutlich die Linien und Farben erkennen.
Auf der großen grünen Wiese mit der Inschrift „Pax“, vor dem Eingang der Oberen Basilika, steht die Statue eines Ritters zu Pferd. In der Dunkelheit des Abends sieht man die Silhouetten des Mannes und des Tieres mit gebeugtem Kopf. Sie kehren geschlagen und in einer Schlacht besiegt zurück. Franziskus schaut auf den Boden, sein Interesse gilt den Bettlern und den Verlassenen. Er ignoriert die Pracht der zu seinen Ehren errichteten Kirche, zu der die größten Maler der damaligen Zeit beigetragen haben.
Es ist spät, die Basilika ist geschlossen. Ich kehre auf die Piazza Grande zurück, die jetzt durch die Anwesenheit der jungen Leute des Ortes sehr belebt ist. Ich bleibe lange stehen und setze mich an einen Tisch im Freien vor einem Kaffeehaus. Der frische Wind und das Rauschen des Wassers im Brunnen erheitern den sommerlichen Abend. Das Licht des Vollmondes hat den Steinen ihre natürliche weiß-graue Farbe zurückgegeben. Assisi ist eine kostbare Schatzkiste voller Kunst und Werte.