Text und Fotos: Lisa Mittelberger
Assisi – Der Morgen duftet nach Erwartungen, die nicht enttäuscht werden. Die Stadt des Heiligen Franziskus ist eine Kombination aus Spiritualität, künstlerischer und natürlicher Schönheit und Möglichkeiten, sich die Zeit angenehm zu vertreiben. Ich beginne meine persönliche Entdeckung der Stadt von unten. Umgeben von der harmonischen Landschaft der Ebene des Tales „Valle Umbra“, in der hier und da kleine Steinbauten zu sehen sind, dreht sich der Ortsteil Santa Maria degli Angeli um die gleichnamige Basilika. Die vergoldete Marienstatue an der Spitze der Kirche streckt ihre Arme aus, als wollte sie jemand umarmen. Im Inneren der großen dreischiffigen Basilika fasziniert mich die Portiunkula: Die kleine Kirche, in der Franziskus zu einem tieferen Verständnis seiner Berufung gelangte, ist ein Magnet, der eine ungeheure Anziehungskraft ausübt. Es ist als hätte der Stein die Fähigkeit, die tiefen Gedanken des Heiligen zu erzählen, der in den kleinsten Dingen die Gegenwart Gottes sah. Nur eine Handvoll Holzhocker, die an der Wand befestigt sind, erlauben es, in der Portiunkula zu sitzen oder besser gesagt zu knien, aber die Atmosphäre hier ist so besonders, dass sich Unbehaglichkeit fast in Sanftheit verwandelt. Ein letzter Blick auf das Altarbild von Prete Ilario da Viterbo aus dem Jahr 1393, und dann verlasse ich diesen Ort etwas widerwillig. Im Rosengarten blüht die ‘Rosa Canina Assisiensis’, die auf Dornen verzichtet hat, um den Heiligen nicht zu verletzen, der sich auf die Rosen stürzte, um Zweifel und Versuchung zu überwinden.
Ich beschließe, einen Zwischenstopp einzulegen, um etwas zu essen. In Santa Maria degli Angeli kann man die original umbrische „Torta al testo“ des Restaurants „Testone“ probieren. Die „Torta al testo“ ähnelt der griechischen Pita, dem Kebab und der Piadina. Sie wurde in der Zeit des „byzantinischen Korridors“, d. h. des Herzogtums Perugia, hergestellt. Abgesehen von der Geschichte finde ich auf meinem Teller ein schmackhaftes Stück „Torta“ mit Rucola und Stracchino-Käse, das ich genieße, als wäre eine viel aufwändigere Zubereitung erforderlich gewesen. Im „Testone“ herrscht eine ungezwungene Atmosphäre, und die Einrichtung ist eine originelle und farbenfrohe Neuinterpretation des ländlichen Stiles. Die Portionen sind großzügig, und ich bedaure ein wenig, andere Füllungen wie Prosciutto und Caciotta oder Pancetta und Pecorino nicht probieren zu können. Für den anspruchsvolleren Appetit gibt es neben der „Torta al testo“ auch gegrilltes Fleisch, Salami und Bruschetta und natürlich Desserts.
Es ist an der Zeit, Assisi zu erreichen; um die Landschaft in vollen Zügen zu genießen, gehe ich zu Fuß die 3 Kilometer der „Mattonata“, die auf einem alten Weg angelegt wurde, der vor kurzem mit Ziegeln bedeckt wurde, auf denen die Namen der Personen eingraviert sind, die zum Bau der Straße beigetragen haben. Ich beschließe die Basilika am nächsten Tag zu besuchen, zusammen mit der Wallfahrtskirche San Damiano, die etwas unterhalb der Stadt liegt, und beginne den Aufstieg zur Piazza del Comune. Früher gab es in dieser Stadt viele Werkstätten, aber jetzt ist es schwierig, welche zu finden. Dennoch bin ich fasziniert von der Kunstfertigkeit eines Holzschnitzers, der in einer winzigen Werkstatt in der Via Fontebella arbeitet. Auf der Werkbank hat Rossano eine Büste des Heiligen Franziskus aufgestellt, die er gerade schnitzt und deren skizzierte Gesichtszüge ich erkennen kann. Auf der anderen Seite des Platzes befinden sich die Schaufenster des Schreibwaren- und Typografiegeschäfts „Zubboli“, in dem man Karten, Exlibris und Schreibwaren kaufen kann, die seit 1870 von Hand hergestellt werden.
In der Nähe der Piazza del Comune (in der Via San Rufino) befindet sich das Feinschmeckerlokal „Il Ribelle“, in dem man ausgezeichnete Gourmet-Brötchen probieren kann, die ein Mittag- oder Abendessen wert sind. Die Basis ist eine weiche Ciabatta, die mit lokalen Produkte gefüllt wird. Einige köstliche Beispiele: Schweineschulter, bei niedriger Temperatur gegart, Caciotta di Norcia und Salat oder, in einer vegetarischen Version, gebackene Kichererbsen-Panella und Guacamole mit roten Zwiebeln und Limetten. Die neueste Ergänzung auf der Speisekarte ist das „Selvaggio“, ein Wildschwein-Burger mit Salmì-Sauce (Frühlingszwiebeln, Karotten und Salbei), gelbem Dattelketchup, Salat und Mayonnaise. Die nötige Energie, um einen Besuch in Assisi in vollen Zügen zu genießen, ist garantiert.