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Auf der Suche nach antiken Türmen

Ascoli Piceno und Offida sind zwei Seiten derselben Medaille: Die Kunst, in schönen Städten zu leben, erreicht in diesem Teil der Region Marken das höchste Niveau

Auf der Suche nach antiken Türmen

Text und Fotos: Elvira D’Ippoliti

Ascoli Piceno

Ascoli Piceno

Ascoli Piceno – Die Glocke des Doms des Heiligen Emidio beginnt pünktlich um 12 Uhr zu läuten. Nach ein paar Sekunden übertont sie anscheinend alle Gespräche auf der zentralen Piazza Arringo von Ascoli Piceno. Ich schaue nach oben, um die Quelle des Klangs zu entdecken, und blicke auf eine Riesenglocke, die rhythmisch aus dem Kirchturm schwingt. Die Bewohner von Ascoli, die an das Glockenkonzert gewöhnt sind, leben gelassen ihren Alltag weiter. Am Sonntagvormittag ist der Platz mit Leuten gefüllt. Man sitzt am Café, diskutiert laut miteinander, oder man spaziert einfach auf und ab auf dem länglichen und schönen Platz. Eines der Haustore öffnet sich auf einen ruhigen Hof; ich lasse mich vom Schatten der Riesenpalmen und von der Ruhe des Ortes inspirieren. Mein Tag in Ascoli Piceno hatte mit der Suche nach antiken Türme angefangen. In dieser Stadt der Marken manifestierten die Herrscherfamilien im Mittelalter ihre Macht durch das Erbauen von Türmen, die militärischen Charakter hatten. Friedrich II. ließ, so erzählt die Tradition, im Jahre 1242 gleich einundneunzig davon zerstören. Viele dieser „mittelalterliche Wolkenkratzer“ – es gab mehr als zweihundert davon – kann man trotzdem heute noch bewundern: Aus grauem Stein und mit winzigem und hochgelegenem Eingang, waren sie für Feinde praktisch unzugänglich. Der Gang der Geschichte hat aber in Ascoli Piceno eine Metamorphose der Türme mit sich gebracht. Einige sind Kirchtürme geworden, andere wurden gekürzt und zum Teil als Paläste neu genutzt. Die Suche nach diesen steinernen Zeugnissen der Geschichte der Stadt ist der ideale Startpunkt, um sich mit Ascoli vertraut zu machen.

Nach dieser „Schatzsuche“ kann man sich dem „salotto“ der Stadt widmen. Die Piazza del Popolo ist herrlich. An einem Ende wird sie von der Apsis der gotischen Kirche San Francesco begrenzt. Die beiden Flügel bestehen aus dem im 13. – 14. Jahrhundert gebauten und von einem mittelalterlichen Turm gezierten Palazzo dei Capitani del Popolo und weiteren harmonischen Gebäuden mit einer Loggia. Die Einwohner von Ascoli Piceno verbringen sehr gerne und zu Recht einige Zeit auf einem der schönsten Plätze Italiens: Kinder mit Fahrrad, Gruppen von Leuten, junge und weniger junge Paare, Hunde, das ganze „Universum“ der Stadt kommt zu bestimmten Zeiten des Tages hier vorbei. Das Schöne an dieser einheimischen Versammlung ist, dass die Piazza del Popolo durch die Präsenz der Leute noch schöner wirkt. Die Bewohner der Marken verstehen es, täglich ein Stück Pracht ihrer Stadt zu schenken, und gleichzeitig erhalten sie deren Schönheit zurück. Eine fast verpflichtete Pause muss im Café Meletti stattfinden. Das rosa Gebäude beherbergt ein historisches Kaffeehaus, das seinen originalen Liberty-Stil beibehalten hat. In der Provinz von Ascoli Piceno wird viel Anis angepflanzt, und im Meletti muss man unbedingt den selbst gemachten Anisett-Likör kosten. Im Glas wird eine Kaffeebohne dazugegeben, die „mosca“ (Fliege) genannt wird. Wer den klassischen Espresso als himmlisch findet, wird sicherlich vom Aroma des Kaffee Meletti überrascht sein, in dem sich Kaffee mit „anisetta“, Sahne und Schokolade die Perfektion verdienen.

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Offida

Der alkoholreiche Likör lässt mich beim folgenden Spaziergang die Stadt noch schöner erscheinen. Ruhige Straßen, wo sich ein Palazzo an den anderen wie in einer Prachtkette reiht, Kirchen, Türme, Schatten spendende Innenhöfe: Das Leben in Ascoli Piceno ist wie die Visite eines riesigen Museums, in dem man sich sehr wohl fühlt. Ich verabschiede mich von der Stadt mit dem Kauf einer Tüte „olive all’ascolana“, mit drei Sorten Fleisch gefüllten Oliven, die im Öl frittiert werden.

Eine goldene Schlange, die in einem antiken Tempel gefunden wurde, gibt dem kleinen, aber feinen Theater von Offida den Namen. Die Piazza del Popolo ist nicht so groß wie die von Ascoli, aber das Spiel von Licht und Schatten lässt sie an einem späten Frühlingsnachmittag wie die Kulisse eines perfekt gelungenen Theaterstücks erscheinen. Der Spaziergang zum Licht führt weiter in eine etwas ferner gelegene Kirche. Santa Maria della Rocca wurde auf einem Felsensporn erbaut. Ringsherum blickt man auf ein friedliches Panorama, mit weiten Feldern und dem Gebirge im Hintergrund. Die Sonne hat sich vor ihrem „Auf Wiedersehen“ bis zum nächsten Tag hinter dem Gebäude versteckt. Wenn man die Kirche betritt, kann man denken, dass auch sie einer Regie gefolgt ist, die den Besuchern die erstaunlichste Show schenken will. Das Innere der Kirche, oder besser gesagt ihr unterer Teil besteht aus Backsteinböden, die irgendwie zu einer mystischen Atmosphäre beitragen. Die Bögen sind Altäre, Statuen, Goldschmuck und Stuck, die in Santa Maria della Rocca überhaupt nicht vorhanden sind. Einige verblasste Fresken vermitteln noch einen zusätzlichen Hauch von Heiligkeit.

Man würde am Liebsten länger in dieser Kirche bleiben, aber Offida bietet noch viel mehr, wie das Museum der Klöppelspitze, wo man auf die Finger einer Stickerin schauen und über ihre schnellen Gesten staunen kann. Zum Aperitif setzte ich mich auf die Terrasse der „Enoteca Regionale“, um ein Glas Rosso Piceno zu trinken. Später kann ich am besten in der „Osteris Ophis“ das Aroma der lokalen Küche in einem netten und jungen Ambiente kosten.

 

 
 
 
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