Text und Fotos: Paolo Gianfelici
Venedig – Alles ist in der Geschichte stehen geblieben, und alles hat sich bewegt im Ghetto von Venedig. Ich sitze am Kaffeehaus auf dem Campo di Ghetto Nuovo und schaue den alten Brunnen an. Einige Kinder, die sich von der Gruppe eines Klassenausfluges entfernt haben, füllen dort Plastikflaschen auf. Diese einfache Geste leitet mich zum Milieu des Ghettos, das am 29. März 1516 vom Senat der Serenissima errichtet wurde. Der Platz ist klein und angenehm, das Wasser aus dem Brunnen scheint mir ein Symbol der Aufnahme zu sein. Ich atme tief den frischen Frühlingswind ein und begebe mich zum „Museo Ebraico“. Ein nette Dame begrüßt mich am Eingang: Geführte Touren im Ghetto sind teil der Initiative „Die 500 Jahre des Venezianischen Ghettos“, die in Zusammenarbeit mit der „Associazione Veneziana Albergatori“ organisiert wird. „Es ist schwierig diesen Ort als Museum zu bezeichnen“, ist die Einleitung meiner Führerin. „In diesen Ort befinden sich die antiken Synagogen und unter anderem auch Objekte, die wir zu Hause für den Shabbat benützen und die wir ausstellen, um unsere Kultur und unser Glauben zu erzählen“.
Im Ghetto von Venedig gab es Mangel an Platz; einige Häuser sind ungewöhnlich hoch, aber trotzdem architektonisch angenehm. Während der Visite der beiden ältesten Synagogen höre ich gespannt auf die historischen Ereignisse des Ghettos. Juden konnten damals nur Ärzte werden, Geld leihen oder alte Stoffe verkaufen. Es ist nicht leicht, die Komplexität der verschiedenen Stämme und ihrer Rituale festzuhalten, aber sobald die Erzählung den Zweiten Weltkrieg und die Deportationen erreicht, werden die Gefühle die Hauptdarsteller. Die Dame, die mich begleitet, sagt, dass ihre Elter nie über dieses Drama gesprochen haben, und in diesen Moment bin ich so gerührt, dass ich am Liebsten noch Stunden von jüdischer Kultur und Religion erfahren würde. Mein Besuch erfolgt gerade am Freitagnachmittag und kann nicht mehr lange dauern, weil die Shabbat-Feier in wenigen Stunden anfangen wird und erst am nächsten Abend endet: keine Arbeit, aber Gebete und ein Zusammentreffen mit Freunden oder Verwandten, was mir in unserer hektischen Gesellschaft mehr als notwendig erscheint. „Man ruft sich an, um zu fragen: komm doch am Shabbat zu mir. Es ist schön zusammen zu sein“. Vor dem Fest kann ich noch eine der beiden Synagogen besichtigen, die noch jetzt benützt werden. Auch von dieser sieht man von außen nur eine Fassade, obwohl große Fenster auf die Straße schauen.
Bruno Santi, der Koch des Restaurants Ghimel Garden, das sich in einem Innenhof des Campo di Ghetto Nuovo befindet, führt mich bei einem Teller Pasta mit Pesto und gebratenem Thunfisch mit Mohn und Algen in das faszinierende Universum der Kosher-Küche ein. Bruno, der nicht jüdischer Religion ist, hat viel studieren müssen, um richtig einzukaufen und kochen zu können. „Meine größte Freude sind die Komplimente des Rabbiners gewesen“, erzählt der Koch. Kosher heißt eigentlich „geeignet“, und wenn man von den sorgfältigen Kontrollen erfährt, die das Essen charakterisieren, versteht man, dass es auch einfach ein Synonym für große Qualität ist. Die Lehren sind komplex und sehr streng, aber das Resultat im Teller ist hervorragend. Im Ghimel Garden werden auch Shabbat-Abendessen (am Freitag) und Mittagessen am Samstag organisiert, wo man sich auch als Gast anmelden kann. „Man darf nicht fotografieren und telefonieren“, erklärt Bruno, „Sie müssen unbedingt das nächste Mal dabei sein“. Eine Einladung, die für all diejenigen gilt, die die die Erkundung der Faszination des Ghettos von Venedig mit einem schönen Fest anfangen wollen.
Info:
Mit den Hotelpaketen „Die 500 Jahre des Venezianischen Ghettos“ finden die Gäste alle die Angebote, die sie durch die Geschichte des jüdischen Viertels führen können und ihnen noch dazu Traditionen, wie die der Gastronomie, vermitteln. Mit dem „Cooking Class Package“ lernt man Pizza zu backen, ein komplettes Essen vorzubereiten. Dazu kommen typische Süßspeisen, alles in der Koscher-Tradition, die auch eine Garantie für gesundes Essen ist. Für diejenige, die nicht den Luxus der Fünf- oder Vier-Sterne Hotels erleben wollen, können die Pakete auch an Drei-Sterne Hotels oder Guest Houses angepasst werden.
Associazione Veneziana Albergatori
www.avanews.it
500 anni del Ghetto di Venezia
www.veniceghetto500.org
www.jvenice.org
Museo Ebraico di Venezia
www.museoebraico.it
Restaurant Ghimel Garden
www.ghimelgarden.com