Text und Fotos: Elvira D’Ippoliti
Ravello – Den eigenen Schatten auf der antiken, gepflasterten Straße von Ercolano bewundern. Den vollen Duft der Zitronen und deren frischen Geschmack oberhalb von Sorrento genießen. Eine Ballettvorführung vor der unglaublichen Kulisse der Amalfitanische Küste in Ravello erleben. Die moderne Grand Tour in Kampanien enthält diese drei Routen und vieles mehr.
Die Reise, die Adelige und Literaten schon seit dem 17. Jahrhundert insbesondere nach Italien machten, war hauptsächlich eine Bildungsreise. Die heutige Grand Tour verspricht Emotionen und verschenkt sie mit der bekannten Großzügigkeit der Kampaner. Alles, was sich um Neapel herum erstreckt, ist übertrieben: Sonne, Meer, Panorama, Antike, modernes Chaos, Gastfreundschaft und nicht zuletzt die anscheinend ruhige Präsenz des Vesuvs. Dicht klemmt sich ein Haus neben das andere in Ercolano und Torre del Greco, die Straße ist eng, und verstopfter Verkehr gehört in der Hauptverkehrzeit zum Ambiente. Das antike Ercolano liegt verschiedene Meter unterhalb der neuen Bauten. In der Dämmerung steigt man im Licht der Kerzen die Treppen zu einen bestimmten Datum herunter: 79 nach Christus. Die Musik einer einsamen Flöte hat als einzige Begleitung das Quaken der viele Frösche, die im Wassergraben vor den Ruinen leben. Livia schaut die Besucher mit leeren Augen an: Als die erste glühende Asche vom Vesuv auf ihre Stadt rieselte, wurde sie blind. „Schauen sie“, wiederholt Livia ihren Zuschauern, und man blickt auf eine Menge Skelette, die von der Wut der Eruption im Boden festgeklemmt worden sind. „Schauen sie“: Die Stimme der Schauspielerin klingt wie ein Klagelied, aber was einem spontan einfällt, ist ein leises Gebet für diese unglückliche Menschen zu flüstern, die den großen Fehler machten, unter diesem aggressiven Vulkans zu leben.
Ercolano war eine wunderschöne Stadt, sagt Livia, und bei der Nachtbesichtigung seiner Ruinen kann man sich diesen verlorenen Glanz gut vorstellen. In Ercolano hat man in klassischen römischen Häuser gewohnt: Wie groß und prunkvoll die Wohnung war, musste man schon von der Straße aus durch die offene Tür sehen. Fresken und geschnitzelte Fenster gehörten zur Ausstattung. Die Führung zeigt die schöne Reste einer hohen Wohnungskultur, aber wenn man sich einige Momente von der Gruppe entfernt, ist es vielleicht gleichermaßen spannend, den eigenen Schatten auf dem Pflaster der antiken Straßen zu bewundern: Hier lebte und lebt eine Schönheit, die in uns allen eingeschlossen ist.
Als die Grand Tour uns am nächsten Morgen nach Sorrento bringt, ist der Himmel so blau, wie es nur in der Nähe des Meeres in Süditalien sein kann. Das blühende Städtchen zeigt auf den ersten Blick seinen eleganten Charakter: Die Geschäfte stellen raffinierte Waren in den Vitrinen aus, und die Touristen, die im Zentrum spazieren gehen, scheinen schon alle in diesen Geschäften verschiedene Einkäufe gemacht zu haben. Die Villa Fiorentino ist ein mit Licht erfüllter Behälter, wo Kunstwerke aus aller Welt ausgestellt werden (derzeit Picasso).
„Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn?“ Goethes Definition Italiens ist so perfekt, dass man voller Emotion diese Worte im Kopfhörer hört. Ringsherum hängen gelbe Früchte an den Bäumen. Der Duft ist diskret und anhaltend. Die Villa Massa besitzt einen alten Anbau von Zitronenbäumchen, die, wie in den guten, alten Zeiten, von einem Netz aus hölzernen Pfählen vor den starken Sonnenstrahlen geschützt werden. Die Visite des terrassierten Gartens erfolgt mit Hilfe von Audioguides und erweckt mit jedem Wort das Interesse der Besucher. Die Panoramaterrasse wird vom Wind des Meeres erfrischt. Der Blick schweift auf das große blaue Spektakel. Eine Dame im Look der 50er Jahre sitzt auf einem kleinen Sofa und trinkt die Spezialität des Hauses: Limoncello.
Auf der Panoramastraße längs der Amalfitanischen Küste kann man ein kurioses Experiment machen: Wenn man die Augen kurz schließt, kann man versuchen sich zu erinnern, wie schön es hier ist. Wenn man wieder auf das tiefliegende Meer und die rauen Felsen, die Villen und die wie angeklebten Dörfer wieder blickt, wird es einem immer schöner erscheinen. Bei der Grand Tour kann man von einen neapolitanischen Busfahrer begleitet sein, der jeden Winkel der Prachtküste kennt und seinen Mitfahrern mit Stolz zeigt. Ravello, das höchstgelegen Städtchen, ist (fast) total verkehrsfrei und einfach bezaubernd. Alles scheint hier zu stimmen: Die Architektur, die Natur, die Atmosphäre, die Kultur. In Ravello fehlt nichts, was schön und ein Emotionsspender ist. Viele Ehen werden hier gefeiert, und auf dem zentralen Platz (der Rest von Ravello sind kleine Gassen und viele Treppen) kann man Damen im Abendkleid und elegante Männer treffen. Das Paar strahlt in Richtung Objektiv wie für ein professionelles (und wenig spontanes) Fotoshooting. Abgesehen von einem Hauch Kitsch zuviel, ist Ravello bezaubernd. Am Abend glänzen in der Villa Rufolo die Vorführungen und die Konzerte des „Ravello Festival“.
Info
Campania Artecard
www.campaniartecard.it
In der Villa Massa wird exzellenter Limoncello aus frischen Zitronen produziert. Es ist möglich den traditionellen Anbau von Zitronenbäumchen mit einem wunderschönen Ausblick auf das Meer mit einem Audioguide zu besichtigen.
www.villamassa.com
Ravello Festival
www.ravellofestival.com