Text und Fotos: Paolo Gianfelici
Perugia – Um den Zauber des mittelalterlichen Perugias und die Werkstätten der Handwerker zu erkunden, verläuft der ideale Spaziergang längs des Aquädukts aus dem Jahre 1254.
Perugia ist eine Schatzkammer mit mittelalterlicher Architektur und behütet weltbekannte Meisterwerke (so von Perugino und von Pinturicchio). In diesem Falle stehen aber nicht die wertvollen Gemälde im Mittelpunkt; ins Rampenlicht rücken die Handwerker, die in Umbrien schon immer eine hohe Anerkennung hatten. Auf den Spuren der Vorfahren arbeiten heute viele Unternehmen mit internationalem Erfolg im Bereich edler Textilien wie Cachemire.
Marta pflegt die umbrische Tradition der handgewebten Textilien. Sie erzählt die Geschichte ihrer Familie. „Die Kirche, wo wir jetzt arbeiten, war verlassen, und mein Vater hat sie gekauft. Sie wurde zur Zeit des Heiligen Franziskus erbaut und – wer weiß – vielleicht ist er selber hier gewesen“. Eine Einleitung, die Emotionen hervorruft. Längs der steinernen Mauern sind antike Webstühle nebeneinander aufgereiht. Gebaut wurden sie in 18. oder 19. Jahrhundert und funktionieren noch heute. Marta nimmt am ältesten Webstuhl Platz und führt ihre Arbeit weiter. Sie schaut auf ein kleines Plakat, auf dem ein Bild von Pinturicchio steht: Das Jesuskind ist teilweise mit einem gestreiften Schal umhüllt, und aus dem Webstuhl kommt das identische Stück Stoff heraus. Das Motto dieser Werkstatt lautet: „Laboremus jucunde“. Die Freude an der Arbeit ist ansteckend und breitet sich in der ganzen Stadt aus.
Die nächste Museumswerkstatt mit Dutzenden von kleinen, mit bunten Pulvern gefüllten Flaschen sieht wie das antike Labor eines Alchimisten aus. „Dies sind die originalen alten Farben von Francesco Moretti, einem Genie der Glasfärbung“. Maddalena ist voller Energie und Leidenschaft. Sie ist praktisch alleine geblieben bei der Realisierung von Glasfenstern, die streng handgemalt werden. „Es ist schwer“, erzählt sie, „aber in meiner Familie hat man immer diese Arbeit gepflegt, man hat daran geglaubt, und ich kann einfach nicht aufgeben“. Das kleine Museum bewahrt im authentischen antiken Ambiente eine riesige Kollektion von Zeichnungen und Gipsfiguren auf, die als Modelle für die Glasmalerei dienten.
In der modernen Werkstatt atmet man weniger Atmosphäre, aber viel Engagement. „Um auf Glas malen zu können, muss man das Sujet mit kleinen Pinselstrichen färben. Nach dieser ersten Phase, wird das Glas gekocht und danach weiter bemalt. Dasselbe Verfahren muss vier oder fünf Mal geschehen. Oft geht das Stück Glas kaputt, und man muss wieder von vorne anfangen.
Heute stellen sich die umbrischen Handwerker in neuen Bereichen auf dem Weltmarkt vor. Wie Anna Fornari, die Schmuck realisiert, der Formen und Farben von außergewöhnlicher Originalität hat, oder wie der Eigentümer von “Ozona”, einer Werkstatt, die “nach Maß geschnittene Gläser” produziert, die Prominente der Showbusiness sehr lieben, die aber jedem passen, der wirklich interessiert ist, etwas Originelles auf die Nase zu setzen.
Bei der Modernisierung der Produktion in Perugia und Umgebung konnte die Nahrungsmittelindustrie nicht ignoriert werden. Schokolade ist in Umbrien Teil der Tradition (man braucht nur an den Bacio Perugina zu denken). Um der Standardisierung der Industrieprodukte entgegenzuwirken, wurden in den letzten Jahren viele Werkstätten gegründet, die Qualität und Echtheit des Produktes garantieren und das Zentrum des „Distretto del cioccolato“, ein Projekt der Handelskammer von Perugia, geworden sind.
Umbrien ist die Gegend der echten Produkte und intensiven Aromen. Ein Besuch auf den landwirtschaftlichen Betrieb von Luca Palombaro in Monte del Lago am Ufer des Lago Trasimeno konnte nicht fehlen. Vom kleinen, aus Stein gebauten Dorf am Ufer blickt man auf die Olivenhaine. Das extra-native Olivenöl ist zart und schmeckt auf Bruschetta und zusammen mit dicken Scheiben hausgemachter Salami sehr gut.
Der Streifzug durch die Provinz Perugia endet in Montebello, wo sich die „Università dei Sapori“ befindet. Der Chef Riccardo bereitet eine Karottencreme, Ravioli mit Ziegenkäse und marinierten Fleischbällchen, die mit warmem, knusprigem Brot und gebratenen Pilzen bedeckt werden. Die Schüler folgen mit sehr großer Sorgfalt den Bewegungen und Erklärungen des Lehrers. Dann müssen die Lehrlinge arbeiten. Anschließend kann man alles mit viel Freude schmecken. Ein Grund mehr, nach Perugia zu fahren, wo man neue Aromen und neue Geschmacksrichtungen zusammen mit der Frische der Produkte und dem Ideenreichtum der lokalen Esskultur erkunden kann.
Info:
Studio Moretti Caselli di Maddalena Forenza Via Fatebenefratelli – Perugiawww.studiomoretticaselli.it Museo Atelier Giuditta Brozzetti
Via Tiberio Berardi, 5/6 – Perugia
www.brozzetti.com Ozona – L’occhiale sartoriale Via del Morone 18 – Perugia www.ozonaocchiali.com Fattoria Luca Palombaro Monte del Lago – Magione (Perugia) www.fattorialucapalombaro.com
Università dei Sapori
Montebello – Perugia www.universitadeisapori.it