Testo e foto: Paolo Gianfelici
Montebello di Torriana – Guendalina, das kleine Mädchen mit dem Spitznamen Azzurrina wegen der Farbe ihrer Haare, Tochter von Uguccione, Feudalherr der Burg von Montebello, verschwand auf mysteriöse Weise, ohne ihr Haus zu verlassen, in der Nacht der Sommersonnenwende im Jahre 1375. Die kurvenreiche Straße, die von Rimini nach Montebello ansteigt, bietet einen spektakulären Blick über das Tal des Flusses Marecchia: grüne und goldene Felder, San Marino und San Leo auf zwei Felsvorsprüngen. Wir kommen zu Fuß über einen steilen Pfad am Schloss an; eine grauhaarige, streng wirkende Dame erwartet uns im Innenhof. Fast befiehlt sie, keine Fragen zu stellen und Unterbrechungen zu machen, aber auch weggehen dürfen wir nicht. Ich höre die Legende von einem Albino namens Azzurrina, deren Eltern ihr das Haar schwarz färben ließen, mit der Folge, dass es blau wurde. Das Volk sah in ihr zunehmend eine fremde Kreatur, und das Mädchen musste versteckt werden. Wir befinden uns am Ende des Mittelalters, als es noch immer Aberglauben gab. Azzurrina verschwand in der ersten Sommernacht des Jahres 1375 in der Schneegrotte der Burg Montebello. Der Legende nach, zeigt Azzurrina ihre Präsenz alle fünf Jahre am selben Tag und am selben Ort mit Seufzen, Weinen, Reden oder Lärm vom Ballspielen. Als Bestätigung lässt uns die strenge Führerin die Aufnahmen hören, die einige Tontechniker am 21. Juni mit einer Frist von 5 Jahren nachts im leeren Schloss gemacht haben. Jeder ist frei zu glauben, dass die Geräusche von Azzurrina stammen.
Vom Hof aus bewege ich mich nun, unter den stets wachsamen Blicken der Führerin, ins Innere des Schlosses: Es ist dunkel und düster, eingerichtet mit einigen Möbelstücken aus verschiedenen Epochen. Die arme Azzurrina tut mir leid: Sie verbrachte ihre kurze Kindheit an einem so tristen und lichtlosen Ort, noch dazu voller bewaffneter Soldaten. Ich gehe auf den Außensteg, wo die Sonne scheint. Der Blick auf die zum Meer abfallenden Hügel der Romagna ist süß und regenerierend, besonders nach dem Besuch in diesem düsteren Schloss.
Wir fahren in das winzige Bergdorf Montebello di Torriana weiter. Elide, die Besitzerin und Köchin der Osteria del Borgo, genießt einen legendären Ruf für ihre Kochkunst, Nudeln vorzubereiten. Nachdem ich sie probiert habe, muss ich sagen, dass ihr Ruhm vollkommen verdient ist. Die Nudeln sind dünn, aber fest, nicht zu breit und passen sehr gut zu der leckeren Soße mit Rind- und Schweinefleisch. Einfache Dinge, wenn sie kunstvoll zubereitet werden, sind oft die leckersten. Auch die Platte mit lokalen Käsesorten, Aufschnitt und die Kartoffel-Gnocchi ist ausgezeichnet. Das Essen endet mit dem „Stachelschwein“, einem typischen Dessert aus der Romagna. Die Kekse sind mit Buttercreme und mit Mandeln überzogen, die wie Stacheln aussehen. Am Ende des Essens begrüßt Elide ihre Gäste. Die Laune, das Lächeln und die Freundlichkeit bringen die typische Gastfreundschaft der Romagna voll zum Ausdruck.