Text und Fotos: Richard Brütting
Palermo – 1995 hatten sich der Dirigent Claudio Abbado und der damalige (2012 wieder gewählte) Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, „verschworen“, innerhalb von zwei Jahren das seit 1974 wegen Renovierung geschlossene Musiktheater wieder zu eröffnen. Tatsächlich gelang die Wiedereröffnung rechtzeitig zum 100. Jahrestag, wie mir der seit Juli 2014 amtierende Generaldirektor des Opernhauses, Francesco Giambrone, erklärte. In seinem Büro hängt das Foto, das die allerletzten Verrichtungen der Handwerker vor dem Neustart zeigt. Am 12. Mai 1997 fand im renovierten Musentempel ein glanzvolles Konzert mit den Berliner Philharmonikern statt, dessen 2. Hälfte Claudio Abbado selbst dirigierte.
Mit 7.730 qm Grundfläche ist das Teatro Massimo das größte Opernhaus Italiens und das drittgrößte Europas nach der Opéra von Paris und der Staatsoper Wien. Architekt war Giovan Battista Filippo Basile und nach dessen Tod sein Sohn Ernesto, Bauzeit 1875-1897; der Durchmesser der Kuppel beträgt fast 29 m. Auf meine Frage nach der ursprünglichen „Philosophie“ des Hauses antwortete Giambrone lachend: „Um gesehen zu werden“. Darum die Logen über viele Etagen, die Balustraden und luxuriösen Foyers, die ich bei einer Besichtigung des Innenlebens des Bauwerks und während der mit ausgezeichneten Solisten ausgestatteten Oper „Jenufa“ von Leo Janacek sehen konnte.
Heute geht es allerdings nicht mehr um die Eitelkeiten einer vornehmen Gesellschaft, die sich in bewundernden Blicken spiegeln wollte, sondern um eine Öffnung der Einrichtung nach außen, hin zu einem Publikum, das sich früher das Vergnügen eines Opernabends nicht leisten konnte. Das Teatro Massimo begreift sich als ein Faktor des Wirtschaftslebens Palermos und als Produzent von Kulturgut für die Stadtgemeinschaft. Unter dem Motto „Il Massimo per tutti“ (Das Massimo für alle) werden hierzu Aufführungen auf einem Riesenbildschirm auch vor dem Theater sichtbar gemacht. Vor allem aber gilt dies für das Projekt „Opera Camion“ (Oper im LKW): Die Oper wird (auto)mobil, sie besucht per Lastwagen die Stadtteile der sizilianischen Metropole, so auch die Elendsquartiere, in die nie ein Tourist einen Fuß setzt (um meinen Fußweg zum Teatro Massimo abzukürzen, hatte ich mich bei strömendem Regen gerade dorthin verirrt …). Gioacchino Rossinis Oper „Der Barbier von Sevilla“ hat mit ihren Bravour-Arien die Ehre der ersten LKW-Aufführungen. Viel Glück bei diesem Vorhaben!
Steigende Besucherzahlen vor allem junger Opernfreunde und auch die Einnahmen geben Giambrone recht: Von Januar bis April 2016 fanden sich bei Opernaufführungen über 48.000 Zuschauer ein (im gleichen Zeitraum 2015: 40.800). 22.000 Personen nahmen gleichzeitig an geführten Besichtigungen des Opernhauses teil. Die Einnahmen im 1. Vierteljahr 2016 stiegen auf 1,26 Mio. Euro (+28,5%). Allein Puccinis „La Bohème“ hatte im September 2016 über 12.000 Zuhörer. Auf dem Spielplan für 2017 stehen 9 Opern (u.a. „Macbeth“, „Norma“, „La Traviata“, „Tosca“, „Werther“, „Die Italienerin in Algier“), 3 Ballette, 13 Konzerte und 2 Sonderprojekte sowie eine Tournee nach Japan.
Info:
Teatro Massimo
Piazza Verdi
90138 Palermo
www.teatromassimo.it
biglietteria@teatromassimo.it
Tel. 0039-091-8486000
Die Eintrittspreise gehen von 18 Euro bis 100 Euro (Premieren: 25 – 125 Euro).