Text und Fotos: Paolo Gianfelici
Tortona – Als Fausto Coppi in Castellania, auf den Hügeln um Tortona 1919 geboren wurde, kannte Italien nicht die derzeitige Wirtschaftskrise. Das Leben war trotzdem nicht einfach. Fausto hatte eine Arbeit in Novi Ligure gefunden: 20 Kilometer, die am Morgen bergab leicht zu überwinden sind. Bei der Rückkehr können sie es auch trainierten Radfahrern schwer machen. Fausto hatte lange Beine und ein großes Herz, und seine Radfahrt zur Arbeit und zurück war nur die Einleitung zu einem Erfolg, der ihm noch jetzt die Anerkennung als „Campionissimo“ gibt.
Pietro und Stefano holen mich am Morgen ab. Die Fahrräder wurden schon am Tag vorher in den Agriturismo Cascina Il Folletto gebracht, den Startpunkt unserer Radfahrt auf der Ebene zwischen Tortona und Novi Ligure. Die beiden Hobby-Radfahrer organisieren eine Tour, die auf den (Rad)Spuren von Fausto Coppi jährlich nur für alte Fahrräder (Baujahr vor 1987) durchgeführt wird. La Mitica, dies ist der Name dieses Wettbewerbes, ist in drei Strecken aufgeteilt: 45, 70 und 87 Kilometer.
Wir starten, und gleich zu Beginn unserer kurzen Radfahrt merke ich, wie ansteckend die Leidenschaft für den Radsport ist. Die Straße, auf der wir fahren, ist eng und durchquert eine ruhige Natur. An einigen Punkten sehe ich Grundstücke, wo die Erde eine kuriose rote Farbe hat. Wir biegen auf einen kleinen Weg ab und kommen in einen Wald. Ein Bach (der Scrivia) fließt parallel zur Straße. „Jeder freie Moment ist der Richtige, um in die Pedale zu treten. Ich brauche das einfach“, erzählt Pietro, der den Wettbewerb La Mitica gegründet hat. „Ich habe meine Frau beim Radfahren kennen gelernt, und unsere zwei Kinder setzen wir auch auf die Fahrräder“, fügt Stefano dazu. „Bist du müde?“, fragt mich Pietro nach einer halben Stunde. „Jetzt müssen wir eine kurze Steigung machen“. Ich konzentriere mich auf die Pedale und spüre gleich, dass es schwieriger geworden ist, die Räder in Bewegung zu bringen. Wir machen nur eine Spazierfahrt, und ich könnte ohne Probleme absteigen, um die Steigung zu Fuß zu überwinden. Doch der Gedanke an Coppi lässt mich auf den Sattel bleiben und schwitzen.
Als wir später im Hof der Abbazia Rivalta die Fahrräder parken, erzähle ich meinem Begleiter diesen kleinen, persönlichen Sieg. „Jetzt kannst du unsere Emotionen verstehen. Du bist auch ein campione geworden“, freut sich Pietro. Wir besichtigen die romantischen Reste der Abtei des Zisterzienserordens, der sich hier schon im Jahre 1180 sich niedergelassen hatte. Zum Komplex gehört ein Haus mit monumentalem Bogengang, das von einer Adelsfamilie errichtet wurde. Im Inneren der Kirche bleiben wir etwas verblüfft vor einem Fresko stehen, das die Dreifaltigkeit Gottes darstellt. Die drei älteren Herren sehen sich ähnlich an, und um ihre Köpfe sind komische Heiligenscheine gemalt worden, die wie große Ohren aussehen.
Trotz meiner neuen Sieger-Philosophie begleiten mich Pietro und Stefano im Auto auf die Hügel, wo sich auch der Geburtsort von Coppi befindet. Die erste Etappe ist ein Restaurant, denn so erklärt Pietro „nach dem Radfahren, muss man richtig essen. Es gehört einfach dazu.“ In diesem Gebiet ist die Nähe zur Region Ligurien ein Pluspunkt auf dem Teller. Die frittierten Sardellen des Restaurant Erba Luisa sind hervorragend, und beim Essen kann man die schöne Aussicht auf die umliegende Hügellandschaft von der Terrasse aus genießen.
Schwarzweiße Großfotographienvon Fausto Coppi hängen an den Häuserfassaden der verschieden Dörfer, die wir auf unserem Weg nach Castellania treffen. Alles erzählt von dem mutigen campionissimo, der viel zu jung an einer nicht erkannten Malaria sterben musste. In Castellania ist es sehr ruhig an diesen Tag. Normalerweise begegnet man immer eine Gruppe von Radfahrern, die bis hierher gekommen sind, um das Geburtshaus des unvergesslichen Coppi zu besichtigen. Das Grabdenkmal befindet sich am höchsten Punkt des Dorfes, und neben Fausto ruht auch sein Bruder Serse, der ebenfalls im Radsport bekannt war. Coppi war und bleibt ein Beispiel: Um große Ziele zu erreichen, muss man ein einfacher Mensch bleiben.
Gegen Abend kann ein perfekter Coppi-Tag in Novi Ligure enden. Die Straßen zur schönen Stadt führen durch den Bezirk der Merella: Hier trainieren Dutzende von Radfahrern zu jeder Zeit und bei jedem Wetter. In Novi Ligure kann man auf einer schönen Fußgängerzone spazieren gehen, und wenn man vom Radfahren noch nicht genug hat, ist ein Besuch im Museo dei Campionissimi empfehlenswert. Hier kann sich auch über die vielen Siegerinnen in diesen Sport informieren und viele Modelle von Fahrrädern bewundern. Zum Abendessen muss einfach jeder Besucher im Restaurant Il Banco essen: Nur hier kann man die echte farinata (eine Art Pizza mit Kicherbsen-Mehl) kosten. Auf dem Menü stehen viele andere Leckerbissen: Es ist besser sich zu stärken, weil man am nächsten Tag vielleicht wieder fest in die Pedale treten muss.
Info:
Pony und Ziegen werden sicherlich die Freude aller Kinder sein im Agriturismo Cascina Folletto, wo die diskrete Präsenz der Kobolde zum angenehmen Aufenthalt beiträgt.
Cascina Folletto Strada Veneziana 9 – Frazione Bettole – Tortona www.cascinafolletto.com Alexala Tourist Board Alessandria & Monferrato www.alexala.itLa Mitica
Ciclostorica per i colli di Serse e Fausto Coppi www.lamitica.it Die Liebhaber des Fahrradsports erwarten Hunderte von Kilometern, die auf glatten Straßen oder steilen Wegen zwischen den Hügeln und dem Apennin abgefahren werden können. Auf keinen Fall darf ein Abstecher zum Museum der Radmeister in Novi Ligure fehlen, in dem Fausto Coppi und Costante Girardengo, die Mythen des italienischen Radsports, geehrt werden Museum der Radmeister Novi Ligure www.museodeicampionissimi.it Essen: Novi Ligure Il Banco www.ilbanco.it Paderna (Tortona) Locanda L’Erba Luisa www.locandaerbaluisa.it