Paolo Gianfelici
Turin – Der Monat November ist in der Hauptstadt des Piemonts traditionell der zeitgenössischen Kunst gewidmet. „The Others Art Fair 2019” (achte Ausgabe) ist eine der führenden Veranstaltungen. Die Liste der Teilnehmer umfasst 49 Aussteller, die auf 32 Räumen aufgeteilt sind. Darunter befinden sich junge Galerien, non profit Vereinigungen und artist run spaces. „Alle stark an der Erforschung und Förderung junger Künstler, die ihre Projekte vorgestellt haben, interessiert“, erklärt Kurator Lorenzo Bruni. Es handelt sich um 5 Aussteller im Bereich Expandend Screen, mit Bildern, die in Bewegung sind; 8 Sonderprojekte und 5 weitere Künstler, die sich mit dem Thema Specific auseinandergesetzt haben.
Ich betrete die Ausstellungsräume mit dem Wunsch, talentierte junge Künstler aus der ganzen Welt zu entdecken, von denen einige wenig bekannt sind, und viel Neugier auf den ungewöhnlichen Ort. Es handelt sich um ein ehemaliges Militärkrankenhaus im Grünen, umgeben von Gebäuden der italienischen Armee, in denen noch die üblichen militärischen Trainingsaktivitäten stattfinden. Die Architektur des ehemaligen Krankenhauses stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Linienführung ist schlank und sanft, die Fassaden haben große Fenster.
Ich beginne die Reise der „Anderen“, indem ich einige große Zelte der italienischen Armee durchquer. Die Atmosphäre ist etwas beunruhigend. Musik und Lichter erinnern an eine östliche Nacht, vielleicht in einem der asiatischen Länder, in denen diese Zelte tatsächlich im Bereich militärischer Operationen aufgestellt wurden.
Es ist aber nur ein flüchtiger Moment. Ich steige die Treppe hinauf und betrete einen sehr überfüllten Korridor, von dem aus sich viele kleine Räume öffnen, in denen die Werke der Künstler ausgestellt sind. Was mir sofort auffällt, ist die Atmosphäre lebhafter Teilnahme der Besucher und die Konfrontation mit den Künstlern. Es hat mit dem „fernen“ Charakter normaler Ausstellungen und Kunstmessen, bei denen Künstler in einer Ecke des Raumes stehen und die Besucher deren Werke in Stille betrachten, nichts zu tun. Hier gibt es viel Dialog, Pathos und Freude am gemeinsamen Erleben.
Die Gewalt ist ein wiederkehrendes Thema in den Werken der Künstler. Gewalt gegen die Natur, die sich aus einer Reihe von Fotografien ergibt, die aus der Vogelperspektive einen Strand in der Toskana zeigen, wo eine Chemiefabrik den Sand mit Schadstoffen bedeckt hat. Das Ganze hat jedoch fast ein strahlendes Aussehen, wie der vergiftete rote Apfel in Schneewittchen. Gewalt gegen Menschen, die von einem kubanischen Künstler gezeigt wird, durch das Leiden derer, die auf der verzweifelten Suche nach einem sicheren Hafen das Meer überqueren.
Dutzende schwarze Porzellangewehre sind an einer Wand befestigt: Der Künstler machte sie unschädlich und stellte sie ohne Kolben und Abzug dar. Doch weniger bedrohlich sind sie nicht. Wie die Bombe aus Porzellan, die neben den Pistolen auf dem Boden „explodierte“. Auf einem anderen Bild sind Hunderte von Süßigkeiten in allen Größen und Farben abgebildet. Sie könnten das Gegenmittel gegen das Gift der Gewalt sein: kleine und große Freuden des Lebens und positive Gefühle. Ein anderes Kunstwerk zeigt die Abdrift der Kontinente, das Schicksal der Welt, wenn die Gewalt nicht gestoppt wird.
Das Publikum kommt bis spät in die Nacht, um die Ausstellung zu beobachten und zu kommentieren. Es ist fast unmöglich sich zu bewegen, aber dies schafft ein Gefühl der Vertrautheit mit den Werken. Auch außerhalb des Jugendstil Gebäudes wird der Kunstabend nicht unterbrochen und man kann im Garten des ehemaligen Lazaretts noch etwas trinken.