Terra Italia

Der Karneval von Triest mit seinen zwei Gesichtern

Paolo Gianfelici

Die romantischen, tragischen Masken Maximilians von Habsburg und seiner Frau Charlotte tanzten an Faschingssamstag in den Salons des Cafés San Marco. In wenigen Kilometern Entfernung feierte man in Opicina den Bauern-Karneval des Karsts mit Osmice (Imbissstätten), Terrano-Wein und Grappa.



Triest (Terra Italia) – Betritt man die Terrasse der geräumigen, bequemen und funktionalen Luxus-Suite im 5. Stock des Starhotels Savoia Excelsior, so liegt das Panorama des Golfs von Triest in voller Breite vor einem. Das 1911 erbaute Hotel ist mit neoklassischen Säulen und anderen architektonischen Elementen, die an die österreichische Epoche erinnern, verziert und hat eine sehr zentrale Lage: der Molo Audace und die Piazza dell’Unità sind kaum 200 m entfernt.

Von oben hat man einen ersten Kontakt mit der Stadt des hl. Justus: Gegenüber liegt das Kongresszentrum im Jugendstil, einst der Überseehafen, von dem aus die Dampfer nach Amerika ausliefen; zur Linken befindet sich der Acquario, die erste europäische Konstruktion aus armiertem Beton – dieser ehemalige Fischmarkt wird künftig ein Kultur- und Ausstellungszentrum sein –, weiterhin die „Laterne“ und ganz im Hintergrund der Adriatico, der Sitz der Triester Segelvereine. Zur Rechten gliedert sich die Vedute der Stadt in den Rahmen der Karst-Hochebene ein, den das Heiligtum des Monte Grisa überragt. Der Blick schweift dann zum Porto Vecchio, dem Wasserflughafen der zwanziger Jahre, zum Faro della Vittoria (Leuchtturm des Sieges) und zum Schloss Miramare im Hintergrund. Vor deinen Augen liegen damit die letzten 200 Jahre der Geschichte dieser einmal glücklichen, einmal tragischen Stadt. Es hat den Anschein, als erwache Triest aus der Erstarrung, in die es die Jahre des Kalten Kriegs versetzt hatten, als die Finanzspritzen des italienischen Staats fast vollständig den herkömmlichen unternehmerischen Geist seiner Bürger ersetzt hatten. Die monumentalen Gebäude des 19. und der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts werden derzeit renoviert. Triest sucht eine neue Identität im Tourismus der gehobenen Klasse.

In diesen Märztagen versenkt sich die Stadt in den Karneval, ja sogar in einen Karneval im Doppelpack, die beide völlig voneinander verschieden sind. Es gibt den bürgerlichen Karneval Triests, der ein bisschen ‚retro’, selbstironisch und leicht traurig angehaucht ist. Er ist keineswegs ausgelassen, sondern wird von sehr schönen, teilweise tragischen Masken repräsentiert, so von Charlotte und Maximilian von Habsburg, die beide zunächst auf Schloss Miramare lebten. Maximilian wurde 1867 als Kaiser von Mexiko erschossen, während Charlotte in geistige Umnachtung versank (sie starb erst 1927). Im Café San Marco tanzen die maskierten Kunden an den Karnevalsabenden wie in einem Ambiente außerhalb der Zeit. An diesem Treffpunkt der Triester Intellektuellen, den Italo Svevo und Umberto Saba liebten, herrscht eine Atmosphäre wie in den Wiener Kaffeehäusern der 20-er und 30-er Jahre.

In wenigen Kilometern Entfernung feiert man auf der Karst-Hochebene in Opicina einen anderen Karneval. Er ist bäuerlich und zeigt Masken, die an die alte Traditionen der Berge und Fluren erinnert. Die dicken Jacken sind aus Schaffell, die Schreckmasken erinnern an antike Rituale; gewaltige Hörner verzieren die Köpfe vieler maskierter Männer. Selbstverständlich symbolisieren sie hier etwas anderes als im übrigen Italien. Übrigens sind diese Dörfer im Hinterland von Triest in Sprache und Kultur zu 90% slowenisch. Ein anderer sehr sympathischer Zug dieses Bauern-Karnevals sind die mit grünen Zweigen geschmückten Karren, die bis zum Rand mit Wein- und Grappaflaschen sowie mit Kuchen angefüllt sind. Sie sind Miniaturausgaben der Osmica des Karsts, jener kleinen Imbissstätte, die von einigen Bauern improvisiert wird, um roten und herben Terrano-Wein zu servieren, dazu Jota, eine Suppe aus gesäuertem Wirsingkohl mit Kartoffeln, Gerste, Knoblauch und Bohnen.

Die Menschen müssen hier immer sehr naturverbunden gewesen sein. Im Foyer des Savoia Excelsior hängt ein schönes Ölgemälde aus der Zeit vor 100 Jahren, das eine Gruppe von Triester Bürgern darstellt, die inmitten der Natur des Karsts feiern und ein Essen mit unverfälschten Zutaten genießen. Diese Venezia Giulia ist ein Konzentrat Europas. Innerhalb weniger Quadratkilometer liegen das Meer, eine Kunststadt, Berge und Fluren. Und es gibt eine Bevölkerung. die von den drei hauptsächlichen Kulturen unseres Erdteils abstammt: von der romanischen, slawischen und germanischen Kultur.


Opicina: Karneval des Karsts
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