Terra Italia

Die Maremma im Einspänner erleben

Richard Brütting

Grosseto (Terra Italia) - Dagmar Wald hat vor einem Jahrzehnt Deutschland verlassen und in der Toskana erfolgreich die "Azienda agricola Zingherina" in Caldana (GR) aufgebaut, die sich hauptsächlich mit Pferdezucht befasst.

Anlässlich der Schlüsselübergabe der restaurierten Abtei San Rabano (s. TIN 4/2000) wurde ich freundlicherweise von Frau Wald eingeladen, eine Tour im Einspänner durch die benachbarte Musterfarm von Alberese zu machen. Das Gut liegt im Naturpark der Maremma, einem Paradies für Vögel
aller Art. Gefolgt von einer größeren Kutsche, fuhren wir bei wolkenlosem Himmel den Ombrone entlang und bewunderten 2000 Jahre alte Tamarisken, auf denen majestätische Reiher eine träge Siesta hielten. In der Ferne waren die Viehherden der Farm zu sehen, die mit mehr als 4.000 ha zu den größten landwirtschaftlichen Betrieben Italiens zählt. Sie umfasst 200 ha Sumpfgebiet, 2.000 ha Laub- und 700 ha Nadel-Wald, weiterhin 800 ha landwirtschaftliche Nutzfläche.
Wie Funde in den Kalksteinhöhlen der nahen “Monti dell’Uccellina” beweisen, lebten auf dem sumpfigen Territorium schon in grauer Vorzeit Menschen. In der Antike wurde das Gebiet an der Küste des Mittelmeers urbar gemacht und landwirtschaftlich genutzt. Zum Beweis hierfür können
die beiden bisher ausgegrabenen Villen aus der Römerzeit dienen. Später versumpfte das Gebiet erneut. Es wurde erst vor wenigen Jahrzehnten wieder weitgehend entwässert; gleichzeitig wurde die Malaria besiegt.
Die um das Jahr 1000 gegründete Abtei “Santa Maria Alborense” beherrschte fast ein halbes Jahrtausend lang das Gebiet, bis sie nach einer teilweisen Zerstörung durch den Staat Siena Klause eines Einsiedlers wurde, von dem sie den Namen “San Rabano” annahm. Ende des 16. Jahrhunderts ging das Gebiet für 150 Jahre an die Medici und dann an die Corsini. Das heruntergekommene Territorium wurde 1839 von Leopold II. von Habsburg-Lothringen als landwirtschaftliches Gut für das Großherzogtum Toskana erworben und teilweise wieder urbar gemacht. 1921 wurde die Farm, da Besitz von “Untergebenen eines besiegten Landes” (d.h. Österreichs), von Italien enteignet und in der Zeit des Faschismus dem Nationalen Soldatenverband bis zu dessen Auflösung im Jahre 1977 übertragen.
Seit 1979 gehört die “Azienda regionale agricola di Alberese” der Region Toskana. Die großherzogliche Villa in Alberese wurde renoviert und als Luxusabsteige für VIPs der Toskana eingerichtet. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist der Kornspeicher aus dem 19. Jahrhundert, dessen 140 m lange Halle jetzt für Kongresse mit 300-500 Teilnehmern und als Museum mit “funktionstüchtigen” Modellen landwirtschaftlicher Maschinen genutzt wird. Die Farm selbst widmet sich dem ausschließlich biologischen Anbau
von Hartweizen, Sonnenblumen, Zuckerrüben, Gemüse etc. Eine Fläche von 150 ha ist mit Olivenbäumen bewachsen, 45 ha sind dem Weinbau vorbehalten; der samtige Rebensaft von Alberese trägt den Namen “Morellino”. In Alberese wird auch das schmackhafte und biologisch einwandfreie Fleisch der
Maremma-Rinder verkauft.
Die Verwaltung des Guts von Alberese bietet, wie viele Farmen der Umgebung, “Ferien auf dem Bauernhof” an. In den eleganten Wohnungen können insgesamt mehr als 40 Personen untergebracht werden. Bis zum Meer mit seinen weiten Stränden sind es 4-7 km. Ein Appartement mit Doppelbett,
Kochecke, Badezimmer, Pkw-Stellplatz und Terrasse kostet je nach Saison pro Woche zwischen 800.000 und 1.200.000 Lire (nähere Informationen bei Alberese natura, Loc. Spergolaia, I-58010 Alberese; Tel./Fax 0039-0564-407077/407180; E-Mail aralbese@gol.grosseto.it). In der Umgebung gibt es reichlich Sportmöglichkeiten, so Reiten, Kanufahren auf dem
Ombrone, Mountainbike, geführte Exkursionen in den Naturpark der Maremma und vor allem Ausflüge mit dem Fischerboot “Sirena” die Küste entlang (Anmeldung bei Paolo Fanciulli, Tel. 0039-0564-884902).
Nach gut zwei Stunden Fahrt durch eine menschenleere Landschaft haben wir wieder wohlbehalten Alberese erreicht. Unser Einspänner wurde von einem braven Pferdchen gezogenen, dem technische Geräte in der Weite der Maremma
so fremd und unheimlich vorkamen, dass es stehenblieb und mit großen Augen Hilfe suchend um sich blickte, als wir an landwirtschaftlichen Maschinen vorbeikamen. Das gute Tier wollte am Zaumzeug an diesen “Monstern” vorbeigeführt werden.

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