Terra Italia

Lago Maggiore: der Kongress der „Magnifici Otto“

Paolo Gianfelici

Die großen italienischen Weine entstanden zuerst im Piemont, inmitten der Nebel der Langhe und im Monferrato. Die regionale Vinothek des Barolo befindet sich in einer Burg aus dem X. Jahrhundert. Experten führen öffentliche Weinproben ausgewählter Rebensäfte „in Flaschen ohne Etikett“ durch.


Belgirate (Lago Maggiore):
V8, der Höhepunkt der Weine

Belgirate (Terra Italia) – Der V8, der Höhepunkt der acht bedeutendsten Weine des Piemont, fand kürzlich an den Ufern des Lago Maggiore statt, also in dem am wenigsten vom Rebenanbau berührten Gebiet einer Region, die sich durch alte Weintraditionen auszeichnet. Der im Schatten von Palmen und Magnolien liegende Ort ist bezaubernd: Am Morgen glitzern Tausende von transparenten Widerspiegelungen auf dem Wasser, bei Sonnenuntergang sieht man auf Gletschern und Felsen das rote Alpenglühen. An den Ufern des Sees und auf den Isole Borromee gedeiht eine üppige Pflanzenwelt – eine ideale Gegend für entspannende Ferien, aber nicht für den Weinbau. Es gibt zu viel Feuchtigkeit und zu viele Steine im Erdreich.
Die ersten großen italienischen Weine entstanden zwar im Piemont, jedoch in hundert Kilometer Entfernung von hier inmitten der nebligen Hügel der Langhe und im Monferrato, in den Provinzen Alessandria und Asti, wo die raffinierten Techniken der Weinherstellung vervollkommnet wurden. Die Weine hoher Qualität aus dem Trentino und aus Südtirol, aus Friaul und der Toskana, aus Apulien und Sizilien kamen erst Dutzende (oder Hunderte) von Jahren später. Das Buch des Grafen Nuvolone „L’istruzione sulla coltivazione delle viti“ (Anleitung zum Weinbau) wurde 1798 von der Landwirtschaftlichen Gesellschaft von Turin veröffentlicht. Den Teilnehmern am V8 von Belgirate wurde ein schönes Büchlein mit einem Abdruck jenes kaum mehr auffindbaren Textes überreicht.

Welche Weine nun sind die „Magnifici Otto“ (die acht Prächtigen)? Wir zitieren sie in alphabetischer Reihenfolge: der Asti, ein in der ganzen Welt bekannter, strohfarbener Schaumwein mit aromatischem, angenehm süßem Geschmack; der Barbaresco, ein kräftiger, trockener Rotwein; der Barolo, der König der piemontesischen Weine, der vor dem Verbrauch immer mindestens drei Jahre reift; der Brachetto d’Acqui, ein rosafarbiger Spumante mit weichem Geschmack; der Rotwein Gattinara; der Weißwein Gavi; der Ghemme (wiederum ein Rotwein) und der Moscato d’Asti, ein süßer, aromatischer, nicht perlender Weißwein. Alle acht Weine sind als D.O.C.G. (Kontrollierte und Garantierte Ursprungsbezeichnung; der höchste Grad italienischer Qualitätsweine) klassifiziert.

Die acht D.O.C.G. aus dem Piemont sind ausgezeichnete Getränke während der Mahlzeiten. Sie können, ich möchte sogar sagen, müssen zu den zahlreichen Gängen eines bedeutenden Soupers passen. In Italien trinkt man Wein traditionell bei Tisch als Begleitung zum Essen, und zwar deshalb, weil Weine und Speisen reich an Geschmack und Geruch sind und zusammen ein Gleichgewicht bilden. Die Sitte, einen „prosecchino“ (einen Prosecco als Aperitif) zu trinken, hat erst vor ziemlich kurzer Zeit verbreitet. Die Gewohnheit, Weine zur „Meditation“ oder zur „Konversation“ zu trinken, ist in Italien noch ziemlich selten.

Die Weine aus dem Piemont sind die Quintessenz der weingastronomischen Tradition Italiens. Sie sind kräftig und schmecken stark nach Erde und mineralischen Substanzen, weshalb sie in einer anderen geographischen Umgebung nicht nachgeahmt werden können.

Drei große Köche (Norbert Niederdorfer vom Restaurant St. Hubertus in San Cassiano, Bozen; Giancarlo Morello aus der Osteria del Pomiroeu in Seregno, Mailand; Martin Dalsass vom Restaurant Sant’Abbondio in Lugano), alle mit Sternen im „Michelin“, haben auf dem V8 von Belgirate ein repräsentatives Menü nach italienischer Kochkunst angeboten. Geräucherte Forellen mit Ricotta oder Cavatelli mit „Frutti di mare“ passen hervorragend zum Gavi, einem trockenen Weißwein mit frischem, aromatischen Geschmack. Für einen Kalbsbraten mit Ragout aus Pfifferlingen, Polenta und Rosmarin eignet sich dagegen wunderbar der Ghemme, ein rubinfarbiger Rotwein mit trockenem, würzigem Geschmack und einer angenehmen Nuance von Bitterstoffen. Der Brachetto d’Acqui oder der Asti begleiteten den Obstkuchen oder die Schokoladensahne-Torte.

Außer den acht D.O.C.G.-Weinen gibt es im Piemont noch 46 D.O.C.-Weine (Kontrollierte Ursprungsbezeichnung). Die zehn regionalen Vinotheken lassen die Weine von Weinkennern und Experten mittels strenger, der Öffentlichkeit zugänglicher Weinproben „ohne Flaschenetikette“ auswählen. Die akzeptierten Produkte müssen mindestens 80 von 100 möglichen Punkten erhalten.

Der Kauf der oft teuren Flaschen an diesen Stellen (und nicht in einem Geschäft, selbst wenn es darauf spezialisiert ist) stellt eine Garantie für die Qualität und einen angemessenen Preis dar. Und zudem ist es angenehm, in aller Ruhe bestimmte Jahrgänge zu probieren, wie dies die Weinkenner tun, Vergleiche zu ziehen und das eigene Urteil auszudrücken. Die regionalen Vinotheken sind in historischen Gebäuden untergebracht. Beispielsweise befindet sich die des Barolo in einem Schloss aus dem 10. Jahrhundert; die des Grinzane Cavour sammelt Zeugnisse der Weinkultur in den Fluren einer mittelalterlichen Festung.

Info: www.enotecadel piemonte.com. In der Suchmaschine befinden sich alle Weine der zehn regionalen Vinotheken des Piemonts, die Namen der Winzer und die Preise.

Weiterleiten:

© Copyright TidPress Terra Italia.