S. Stefano di Sessanio (Tidpress) – Dieses Dorf ist der ideale Ausgangspunkt für Ausflüge zum Massiv des Gran Sasso auf dem Pferderücken oder zu Fuß. Die Werte der Umwelt und der mittelalterlichen Architektur sind außerordentlich gut erhalten. Der Turm, die Türen und die Häuser sind mit den Wappen der Medici aus Florenz verziert, die S. Stefano um das Jahr 1500 in ihren Besitz brachten.
Vom Fenster meines Zimmers aus, das sich in einem renovierten, mit schmucklosen Möbeln aus dem 19. Jahrhundert eingerichteten Wohnhaus aus Stein befindet, geht der Blick ins Weite in Richtung der Maiella und der Màrsica. Der Sonnenuntergang unterstreicht die an Sand, Rost und gelbes Stroh erinnernden Farben der Berge und Täler.
Rocca Calascio |
Rocca Calascio |
Zu Abend esse ich in der einfachen Osteria auf der Piazza. Welch einen Geschmack hat die Linsensuppe, welche Kraft haben die Aromen aus dem Gebirge! Das Lammfleisch und der gegrillte Ziegenkäse sind zart und delikat.
Vor dem Einschlafen gehe ich erneut ans Fenster des Schlafzimmers und bewundere den nächtlichen Zauber dieses Dorfes ohne Hotels und Pensionen mit nur 70 Einwohnern. Der Mond glänzt über dem Turm und beleuchtet die Umrisse der Häuser und Kirchen, wo einst mehr als 1000 Menschen lebten, die fast alle nach Amerika ausgewandert sind. Die wenigen Zurückgebliebenen müssen sich wohl mit großer Sorgfalt und mit Bedacht um S. Stefano gekümmert haben, wenn es so unversehrt erhalten geblieben ist.
Am Morgen breche ich nach Campo Imperatore auf dem Gran Sasso auf. Dieses Hochplateau in 1800 m Höhe ist 27 km lang und 7-8 km breit; einstmals war es das Königreich der Schafherden. Dokumente besagen, das hier bis vor 100 Jahren Millionen Schafe längs der Transumanz-Wege (Wechsel von der Sommer- zur Winterweide) vorbeizogen und auf den Hochebenen mit ihren weichen Hügeln rasteten.
In Campo Imperatore befindet sich das Hotel, in dem Benito Mussolini als Gefangener wohnte und wo er von einem Fallschirmjäger-Kommando im September 1943 befreit wurde. Seine Suite ist bequem, aber einfach, voll mit Fotos und Gedenkstücken aus der Zeit des Faschismus. Eine Besuchergruppe drängt sich in den Zimmern der Suite, einige diskutieren lauthals miteinander, fast mit sich überschlagender Stimme. Diese fernen Ereignisse wühlen immer noch starke Gefühle auf!
Auf dem Rückweg mache ich in Bominaco Halt. Unter einer 1000 m hohen Felswand, an die sich die Ruinen einer Burg schmiegen, befinden sich zwei Kirchen: S. Maria Assunta und S. Pellegrino. Erstere ist die schönste romanische Kirche der Abruzzen im Basilika-Stil. Die zweite ist klein und fast von Bäumen verborgen. Ihre Innenwände sind mit Fresken aus dem 13. Jahrhundert bedeckt, die einen der bedeutendsten Gemälde-Zyklen der Region darstellen. Einzigartig als Thema ist der Kalender der Diözesen mit den Tierkreis-Zeichen, die am Anfang jeden Monats abgebildet sind.
Letzte Station vor der Rückkehr nach S. Stefano ist die Nekropole von Fossa, die 1992 zufällig in der Ortschaft Casale entdeckt wurde. Sie ist ein imposantes Zeugnis der vorrömischen Abruzzen mit Grabhügeln von über zehn Metern Durchmesser und Reihen von Menhiren, die sich bis zu 4 m über dem Gelände erheben. Die Reiseführer schreiben, dass die archäologische Stätte im Umbau sei. Mir schien es, als sei sie in einem verlassenen Zustand. Die ans Licht gelangten Grabbeigaben, Lanzen, Schwerter und Bronzegefäßen befinden sich zum großen Teil im Frühgeschichtlichen Abruzzen-Museum von Celano.
Ein weiterer Flecken von grossem Reiz, der bei Sonnenuntergang ein Besuch wert ist, ist Rocca Calascio (35 km von S. Stefano di Sessanio entfernt). Die vier Zylindertuerme der Festung, die mit 1464 Metern die höchste der Region Abruzzen ist, beherrschen das Tal. Die Abgründe, über denen die Burg im Jahre 1000 errichtet wurde, machen ein Adlernest aus ihr. Darunter das verlassenen Dorf: In den Fenstern und Türen der zerfallenen Mauern von Häusern und Kirche wuchert die Vegetation. Ein Ort voller Zauber.
www.sextantio.it
reservation@sextantio.it
+39 0854 972324
Santo Stefano di Sessanio (Aquila)
09.01.2007
Bominaco: Maria Assunta |
Bominaco: S. Pellegrino |
Hochebene des Gran Sasso |
Bominaco: Maria Assunta |
S. Pellegrino |
S. Pellegrino |