Castel di Tusa (TidPress) In diesen Tagen wurde das vorerst letzte Kunstwerk, „Piramide – 38° parallelo“, der Fiumara d’Arte des Kunstmäzens Antonio Presti in Castel di Tusa eingeweiht. Presti feierte gemeinsam mit dem Künstler Mauro Staccioli den Triumph über „jahrelangen Widerstand gegen Kunst und Schönheit“. Situiert auf einem Hügel über dem Meer mahnt die Pyramide aus rotem Stahl zum Innehalten und Nachdenken über „unsere mediokere Gesellschaft, in der das Konsumdenken die Verbundenheit mit der Kunst und der Natur zu verdrängen droht“. Auch Prestis bekanntes Kunsthotel wurde um drei neue Zimmer erweitert.
Antonio Presti war 21 Jahre alt, als sein Vater Angelo starb und ihm das Millionenimperium seiner Baufirma hinterließ, so dass er sich von einem Tag auf den anderen mit Politikern und Mafiabossen am Verhandlungstisch wiederfand, die vor allem eines von ihm wollten: Geld. Der junge Presti, unbeeindruckt von den Gepflogenheiten der Branche, beschloss mit den Traditionen der Insel und denen seines Vaters zu brechen: Anstatt sein Vermögen in Betonbauten und Autobahnen zu investieren, wollte der kunstbegeisterte Ingenieur-Student einen Skulpturenpark gründen, in dem zeitgenössische Kunst mit der rauen Schönheit seines Heimatorts Castel di Tusa, ein sympathisches Fischerdorf in der Nähe von Cefalù, verbunden ist.
Das Labyrinth von Italo Lanfredini |
Stacciolis Pyramide |
Heute, mehr als 30 Jahre später, hat er seinen Park mit dem zehnten Werk vervollkommnet .Das erste Kunstwerk des Parks Fiumara d’Arte („Gewässer der Kunst“) war im Oktober 1986 nach vierjähriger Planungs- und Bauzeit fertiggestellt worden. Antonio Presti widmete es seinem Vater, ausgeführt wurde es von dem Bildhauer Pietro Consagra. Mit Stacciolis Pyramide, einem „Auge zum Himmel“ wie der Künstler es nennt, findet der Zyklus der Skulpturen nun sein vorläufiges Ende. Steht man vor Consagras Werk, kann man in der Ferne die Pyramide erkennen; der Kreis schließt sich in dieser optischen Verbindung. Der Park umfasst ein großes Gebiet um Tusa, das Flussbett der Fiumara und die Nebrodi-Berge, das über die Jahre hinweg durch immer neue Kunstwerke erweitert wurde. Über das Territorium von 5 Kommunen finden wir Arbeiten wie Das Fenster zum Meer von Tano Festa, das auf einem Hügel mit fantastischem Ausblick gelegene Labyrinth von Italo Lanfredini oder Antonio di Palmas Energia Mediterranea, eine große Welle aus blauem Zement. Die neue Pyramide wird in Zukunft nur einmal im Jahr geöffnet werden, am 21. Juni, der Tagundnachtgleiche, wenn durch den Spalt zwischen zwei Seiten des Kunstwerks die Sonnenscheibe genau zu sehen sein wird.
Gegen viele Widerstände hat Presti an seiner Mission festgehalten: der Hingabe an die Kunst. „Meine Aufgabe ist es, die Schönheit zurückzugeben. Das ist meiner Meinung nach die Aufgabe eines jeden von uns.“, erklärt er. Er hatte zu kämpfen gegen Gesetzesentwürfe, gegen Geldbußen, ja sogar gegen eine Gefängnisstrafe, vor allem aber gegen die Ignoranz und Engstirnigkeit von Behörden und Regionalpolitikern, die sein Engagement nicht immer zu schätzen wussten. Wer heute vor dem Ergebnis steht, kann ihm nur zutiefst dankbar sein. Neben den Arbeiten an der Fiumara kaufte Presti 1991 ein kleines Hotel am Strand von Tusa, welches er im Laufe der Jahre verwandelte in „ein Kunstwerk, das durch die Präsenz seiner Besucher erst vollständig wird“. International gefeierte Künstler, neben Hidetoshi Nagasawa, Maria Lai, Raoul Ruiz, Luigi Mainolfi oder Sislej Xhafa auch die deutsche Architektin Ute Pyka, bekamen den Auftrag, ein Zimmer als Kunstwerk zu gestalten. Inzwischen beherbergt das Hotel 40 dieser besonderen Zimmer, sowie 20 „gewöhnlich“ eingerichtete. Neu eröffnet wurden die Zimmer La stanza dell’Opra von Mimmo Cuticchio, La stanza del signor Presti, das Presti selbst gestaltet hat, und Trinacria von Mauro Staccioli.
Was wir heute zu sehen bekommen, sei es beim Rundgang im Atelier sul Mare oder auf Spurensuche zwischen den Kunstwerken der Fiumara, ist in höchstem Maße eindrucksvoll. Wer eine Übernachtung im Hotel bucht, hat eine geführte Besichtigung mit bezahlt, man kann jedoch auch unabhängig von einer Buchung die verschiedenen Zimmer anschauen. Von Presti selbst oder einem seiner Mitarbeiter durch das Hotel geleitet, tauchen wir ein in die Welt der Kunst. Schon das Foyer und das Treppenhaus, ja sogar der Fahrstuhl sind originell gestaltet, es gibt kaum einen Fleck weiße Wand, alles ist mit Liebe und Sorgfalt farbig bemalt, beklebt, dekoriert. Der Frühstücksraum ist von Tobia Ercolino, an der Rezeption finden wir Werke von weiteren Kunstlern, die sich wie die 2 riesigen behauenen Steine von Bogo Otera, welche als Stütze des Empfangstisches dienen, perfekt in die Einrichtung einfügen. Die Kunstwerke im Atelier sul mare werden genutzt, sie sollen nie nur angeschaut, sondern eben er- und gelebt werden.
Die Zimmer schließlich sind so verschieden, dass jeder Gastein anderes zu seinem Lieblingsstück auserwählen wird, doch die Begegnung mit den Entwürfen der Erschaffer ist jedes Mal erstaunlich stark. Das Hotel pulsiert vor Kraft und Kreativität, man wird herausgefordert und es werden alle Sinne angesprochen. Es sind tatsächlich keine Zimmer wie in einem normalen Hotel, wer eine Standard-Ausstattung mit Telefon, TV und Minibar erwartet, wird im Atelier sul mare enttäuscht werden. Stattdessen finden wir Duschen in Form einer Autowaschanlage, Möbel von überdurchschnittlicher Größe, Zimmer, die außer einem Bett nichts anderes enthalten, die nur mit Tages- und Kerzenlicht erhellt werden oder deren Decke sich öffnen lässt. Eine Nacht lang ein solches Kunstwerk vervollständigen zu dürfen, hat etwas Mystisches und Magisches, man verlässt es wieder und hat das Gefühl, einen Teil von sich zurückzulassen. Einige Zimmer wie Stanza dei portatori d‘acqua (Zimmer der Wasserträger) an dem u.a. Presti selbst mitgewirkt hat, Energia (Energie) von Maurizio Mochetti oder Il Nido (Das Nest) von Paolo Icaro bieten einen wunderschönen Blick auf das Meer und wenn man früh genug aufsteht auf einen atemberaubenden Sonnenaufgang. Neben seinen außergewöhnlichen Schlafmöglichkeiten verfügt das Hotel über eine Bar und ein Restaurant, einen eigenen kleinen Strand und eine großzügige Außenterrasse direkt am Meer, auf welcher im Sommer gegessen wird. In einer Keramikwerkstatt werden Töpferkurse angeboten.
Was die Fiumara anbetrifft, so kann jeder sich in eigenem Tempo von Kunstwerk zu Kunstwerk bewegen, im Hotel gibt es ausreichend Info-Material für eine Besichtigung der Fiumara . Das Gebiet ist so groß, dass ein Pkw benötigt wird, doch bieten sich hier so beeindruckende Aussichten, dass die Fahrten durch die Gegend von Tusa, Motta d’Affermo und Pettineo bereits ein Erlebnis für sich sind. Vor allem im Frühjahr mit dem kräftigen Grün der Blätter, dem leuchtenden Gelb der Zitronen, der leichten Brise, den verführerischen Düften, ist Sizilien unwiderstehlich und man bekommt das Gefühl, dass an keinem anderen Ort Natur, Tradition und Ursprünglichkeit so gut mit moderner Kunst hätte verbunden werden können.
Info:
Art Hotel Atelier sul Mare
Via Cesare Battisti, 1
Castel di Tusa (ME)
Tel. +39 0921 334295
Fax +39 0921 334283
www.ateliersulmare.com
info@ateliersulmare.it
24.04.2010
Das bunte Foyer |
Beginn und Abschluss |