Terra Italia

ReisewegeItalienische Reisen in die Vergangenheit (7)

Text und Fotos: Richard Brütting



 Der Vulkan wird bestiegen.Eruptionen alle halbe Stunde. Übernachtung auf der warmen Erde des Hauptgipfels

Stromboli (TidPress) – Am späten Nachmittag des 4. August machten wir uns an den Aufstieg auf den Vulkan – ohne Schutzhelm, ohne Bergführer, ohne Ausrüstung für die Nacht. Wer den Film „Stromboli terra di Dio“ (1950) von Roberto Rossellini mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle gesehen hat, kennt die eifersüchtigen Wutausbrüche des Feuerbergs, besonders wenn er durch zwischenmenschliche Liebesglut gereizt wird. Im Reisetagebuch heißt es hierzu: „Bald ist die Vegetationsgrenze erreicht, wo der Blick auf das Meer frei wird und rechterhand auf die Sciare del Fuoco, an deren oberen Anfang die Kraterlöcher sich in dampfende Nebel hüllen und dann und wann Geröll und Felsbrocken die steile Feuerstraße entlang auf die Reise schicken, bis sie als hoch aufspringende Geröllawinen am Ende des 700 m langen Abfalls zwischen Brandung und Riffen ins Wasser tauchen.“

Nächtliche Eruption des Stromboli

Bizarrer Fels in der Brandung

Kaum hatten wir den Gipfel (926 m) erreicht, da warfen wir schon einen neugierigen Blick in den auf einem niedrigeren Nebengipfel befindlichen Krater: „Dort freilich schien der Rachen der Hölle offen: Locker, warm und feucht war der Grund, auf dem wir standen; Spalten und Risse durchzogen ihn, von Sulfaten und Ablagerungen überdeckt; Schwefel und Wasserdampf entstiegen der Erde und machten das Atmen schwer … Abendkühle ließ uns erschaudern, und eilig strebten wir zum Gipfel zurück, um dort auf schmalem Grat das Nachtlager zu errichten … Da verharren wir plötzlich in ahnungsvollem Erschrecken: Ein pfeifendes Geräusch, Zischen und Sausen; dann schlagen Massen von hartem Gewicht auf. Wir springen gleichzeitig hoch und staunen: Da treten drunten die feurigen Essen flammend aus den Nebelschleiern. Feuersäulen steigen in den Himmel, so mächtig, wie kein irdischer Feuerwerker sie zuwege bringen könnte. Steine und Lava gehen rotglühend in die Luft, erhellen gespenstisch sekundenlang Berg und Himmel, die gleich darauf zurück in abgrundtiefe Finsternis versinken … Angst kriecht in uns hoch, als glühendes Gestein dort niedergeht, wo wir immer noch staunend stehen, glühend liegenbleibt, verglüht.. Entsetzt versuchen wir den Abstieg. Wir erkennen bald, wie undurchführbar dieser ist, ohne Licht die schmalen Grate hinunter. So müssen wir bleiben. Gegen Morgen verstummt der Berg.“

Beim Rückweg gegen 4 Uhr morgens entstieg die göttliche Sonne gemächlich dem Meer, archaische Gefühle im Betrachter des Naturschauspiels erweckend. Die Aromen der Macchia bedufteten das majestätische Erwachen des Tages, Olivenbäume rahmten die Szenerie ein. Nach weiteren Stunden mit Badevergnügen und Mittagsruhe legte die Fähre am 5. August um 18.30 Uhr ab; am 6. August kamen wir um 6 Uhr früh wohlbehalten wieder in Neapel an.

Seither bin ich nie wieder auf der Feuerinsel gewesen. Aber auch nach einem halben Jahrhundert hat die Begegnung mit dem Stromboli einen erhebenden Eindruck hinterlassen. Wie in neueren Reiseberichten lesen ist, benötigt man jetzt im Schnellboot nur noch zwei Stunden für die Überfahrt, der Tourismus scheint zu boomen. Der Vulkan lässt sich davon jedoch kaum beeindrucken: Er schnaubt immer noch in schöner Unregelmäßigkeit und spuckt Asche und Lava, zeitweilig allerdings unter Gefährdung von Einwohnern und Touristen. Ende 2002 musste die Insel zeitweilig sogar evakuiert werden, da die Tätigkeit des Vulkans bedrohliche Ausmaße angenommen hatte.

25.05.2011

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