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ReisewegenNeapel vor Weihnachten – von der Unterwelt ans Licht

Brunella Marcelli



 Ein Rundgang in hell-dunklen Elementen muss an der Kapelle des Principe di San Severo beginnen

Neapel (TidPress) – Neapel besitzt auch einen dunklen, geheimnisvollen Unterleib, einen Bauch, der von seinem Ursprung in der griechisch-römischen Antike erzählt. Neapel verwirrt einen jedoch ebenso durch plötzlichen Einbruch von Licht, durch Perspektiven, die sich blau zum Meer hin öffnen. Ähnlich den Umschwüngen des Wetters, die jeweils die Stimmung verändern, ist die Hafenstadt in unsteter Bewegung, gewunden wie ihr Golf. Neapel ist offen am Horizont, aber verschlossen in seinen engen Gassen voll wimmelnden Lebens.

Chiesa dell’Annunziata

Ein Rundgang in diesen hell-dunklen Elementen muss unbedingt an der Kapelle des Principe di San Severo beginnen. Dieser Alchimist und Freimaurer, ein Mensch des 18. Jahrhunderts mit einer erlesenen Bildung, hinterließ in seiner Kapelle eine Summe esoterischen Initiationswissens, das mit der Entzifferung von Visionen und Symbolen verknüpft ist und noch heute die Augen der Besucher in Erstaunen versetzt.
Die einzelnen Werke sprechen mit ungewohnter Ausdruckskraft, so der „Cristo Velato“ (Verhüllter Christus) von Sanmartino, eine Grablegung mitten im Innenraum, die eine so fragile Drapierung aufweist, dass sie die Grenzen der Materie zu überwinden scheint. Auch die Statue der „Pudicizia Velata“ (Verhüllte Schamhaftigkeit) und des „Disinganno“ (Desillusion) leben vom Gegensatz zwischen dem Volumen des Marmors und Bedeckung der Figuren: ein feiner Schleier bei der ersten, ein Netz bei der zweiten.

Zurück auf der Straße setzen wir unsere Exkursion fort. Von einem typisch neapolitanischen „basso“ (ärmliche Erdgeschosswohnung) aus gelangt man zu den Resten des griechisch-römischen Theaters. Zunächst erreicht man jedoch die augenfällige Gewöhnlichkeit des Alltags, von dem die erhaltene Einrichtung eines Hauses aus antiker Zeit zeugt. Einige klug beleuchtete Gänge führen uns dazu, sich die Größe dieses Theaters vorzustellen. Zu seiner Zeit war es so bedeutend, dass Kaiser Nero beschloss, hier erfolgreich seine (Kunst-)Werke zu präsentieren.

Eine parallele Unterwelt erstreckt sich demnach unter der parthenopeischen (napoletanischen) Stadt. Die Welt unter der Erde ist ausgehöhlt und nährt Legenden über eine Stadt, die in der Art eines Schweizer Käses unendlich untertunnelt ist. Wer sich für das Neapel unter der Erde interessiert, weiß, dass die Stadt seit der Antike bis 1885 (dem Jahr der Einweihung der verrohrten Wasserleitung, die noch immer in Betrieb ist) von drei Aquädukten bedient wurde: dem „Augusteo“ (Claudio), dem „Bolla“ und dem „Carmignano“. Wir gehen zum „Bolla“ hinunter, einem Bauwerk aus Gängen und Zisternen, das für mehr als ein Jahrtausend Lieferant der Wasserzufuhr war. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass ein Aquädukt mit offenem Wasserspiegel (wie der Bolla), im Unterschied zu einem, der auf Druckverhältnissen beruht, das Wasser nicht unmittelbar ins Haus führte, sondern zu in den Höfen befindlichen Brunnen, die bisweilen in das Gebäude selbst integriert waren.

Beim Gang durch die Tunnel, die eine geringe Neigung haben, ist man voller Erstaunen angesichts einer so großen Perfektion. Es gibt Zisternen, die für Inspektionen mit Stufen ausgestattet sind, und Kanäle für überfließendes Wasser, um die Verunreinigungen des Wasser zu beseitigen. Ein Aquädukt mit offenem Wasserspiegel bedurfte einer laufenden Instandhaltung, was die Aufgabe der „pozzari“ (Brunnenleute) war. Diese Herren über die unterirdischen Gewässer trugen Kapuzen und waren mit Schlamm bedeckt, weswegen sie den Volksglauben an einen „monaciello“ nährten, einen böswilligen Geist für die einen, einen gutwilligen für andere. Das Labyrinth der Gänge ist immerhin so komplex, dass man den Eindruck eines Irrgartens hat, in dem man sich verläuft – die alte Höhle unserer Alpträume.

Wenn wir ans Licht zurückkehren, zeigt sich Neapel, wie wir es kennen: Schreie, Gedränge, Lärm. Besucherströme stauen sich in der Via dei Presepi (Krippenstraße), um die Arbeit der Handwerker in den das Jahr über tätigen Werkstätten, wo sich der Beruf vom Vater auf den Sohn vererbt, aus der Nähe zu beobachten. Neben Statuen der religiösen Tradition dominieren, wie immer schon, aktuelle Persönlichkeiten … einer Saison, in einer Mischung aus Sakralem und Profanem, was immer schon ein Charakteristikum des antiken Parthenopeon war, ebenso wie sein Hell-Dunkel: Melodramen. Himmel und Hölle.

Übersetzung: Richard Brütting

Info:
www.napolisotterranea.org
info@napolisotterranea.org

Azienda Autonoma di Soggiorno, Cura e Turismo di Napoli
www.inaples.it/ita/azienda.htm

16.12.2009

Reste des griechisch-römischen Theaters

Reste des griechisch-römischen Theaters
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