Terra Italia

Sizilien: “Atelier sul Mare” – ein Hotel wie ein Museum

Paolo Gianfelici

In der Bucht von Castel di Tusa, zwischen Palermo und Messina, findet man ein Hotel ohnegleichen. So verwandelt sich z.B. im „Gemäldezimmer“ das Bett in ein Floß, das auf dem Mittelmeer treibt. Das Hotel ist auch Ausgangspunkt für den Skulpturen-Weg „Fiamara d’Arte“, der Schönheiten der Natur und Bildhauerkunst miteinander verbindet.


Das Labyrinth der Ariadne
(Foto Archiv Presti)

Castel di Tusa (Terra Italia) – So etwas war mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert. Genau wie für den Ausstellungssaal eines Museums steht in diesem Hotel die Kunst an erster Stelle bei der Gestaltung des Ambiente, und das sogar auf Kosten der Zweckmäßigkeit, die der Gast ja normalerweise als erstes von einem Hotelbetrieb erwartet.
So kann es zum Beispiel vorkommen, dass man sich in einem Schlafzimmer zur Ruhe bettet, das dem Gefängnis eines mittelalterlichen Turms gleichkommt, oder dass man sich auf die Zehenspitzen stellen muss, um seine Kleidung wie im Märchen in einem riesigen Schrank zu verstauen, oder dass man sich in einem furchtbar unbequemen Bad duschen muss, das aus dem 19. Jahrhundert zu stammen scheint. Man sollte diese Beschreibungen aber keineswegs missverstehen. Das in der Bucht von Castel di Tusa gelegene Museums-Hotel ist keiner sizilianischen Disneyland-Fiktion entsprungen. Hochrangige Künstler wie Nagasawa, Dorazio und Fabrizio Plessi (sein jüngstes Werk: „Bosco Incantato“ (Zauberwald) befindet sich in den Kristallwelten von Swarovski in Wattens) haben über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg Zimmer kreiert, die unter Einhaltung hoher ästhetischer Gesichtspunkte bestimmten Themen zugeordnet sind. Für den Gast ergeben sich dadurch unbeschreibliche Erlebnisse.

Wenn man also im „Atelier sul Mare“ ankommt, ist die Wahl der Suite von grundlegender Bedeutung. Nachdem ich mir etwa zehn Suiten angesehen hatte, entschied ich mich zunächst für das „Gemäldezimmer“ von Dorazio und Martini. Hier haben die Künstler die rosafarbenen und dunkelblauen Wände mit einigen kurvenreichen Linien versehen. Als ich mich auf das riesige Bett vor einem Fenster so hoch wie eine Wand lege, habe ich das Gefühl, ich befände mich auf einem Floß, das auf den Wellen des Mittelmeers treibt. Es ist eine seltsame und durchaus echte Empfindung, denn man kann das Meer wirklich sehen und hören, da es nur einige Dutzend Meter entfernt ist.

In der folgenden Nacht fiel meine Wahl auf ein anderes Zimmer. Dies brauchte ich nicht weiter bei der Rezeption zu begründen, was auch eine Besonderheit dieses Hotels ist. Es reicht, das der Gast anderer Stimmung ist oder ganz einfach neue Erfahrungen machen will. Diesmal wählte ich das „ Zimmer des verleugneten Meeres“ von Fabrizio Plessi. Auf den Wänden sind ganz viele Türen angebracht, eine neben der anderen. Die antiken Holztüren stammen aus sizilianischen Wohnungen früherer Zeiten und symbolisieren die Geschichte, Freud und Leid der Menschen, die sie einst durchschritten haben. Und sie gebieten eine sakrale Stille. Einige Videos vor dem Bett suggerieren eine Meereskulisse, während man das echte Meer von einem Fenster aus sehen kann, was der Gast allerdings selber herausfinden muss. Das Hotel verfügt über vierzehn derartiger, von berühmten Künstlern gestalteten Zimmer, aber auch über 26 „normale“ Zimmer.

Antonio Presti, der Besitzer des „Atelier sul Mare“, ist ein exzentrischer Mäzen. Nach dem frühen Tod seines Vaters vor zwanzig Jahren, einem reichen, sizilianischen Zementhersteller, hat er sein beachtliches Vermögen vollständig für Initiativen bereit gestellt, die auf künstlerischer und ästhetischer Ebene dem natürlichen und sozialen Verfall einiger Gegenden Siziliens entgegenwirken sollen. So kam es zu der Veranstaltung „ È tempo di poesia per Librino“ (Es ist Gedichts-Zeit für Librino), die für die Jugendlichen im ärmsten Stadtviertel von Catania bestimmt ist, wo Ausgrenzung und Hoffnungslosigkeit herrschen. Desgleichen entstand die sog.„Fiumara d’Arte“, eine Zusammenstellung von Skulpturen und Beton-Konstruktionen auf den hohen Hügeln des Tusa-Tals

Vom Museums-Hotel „Atelier sul Mare“ aus sollten Sie unbedingt dem Skulpturenweg „Fiumara d’Arte“ folgen, der durch ein raues und atavistisches Sizilien führt. Ich hatte einmal das Pech, mich in der trostlosen Tal-Ebene zwischen den Ebrodi-Bergen und den Madonie zu verlaufen. Als ich einen Einheimischen um Auskunft bat, konnten wir uns gegenseitig nicht verständlich machen, da er nur reinen Dialekt sprach, was ich im Jahre 2004 in Italien niemals für möglich gehalten hätte.

Im Tal und auf den Bergen trifft man auf viele Werke aus Stein, angefangen von „La materia poteva non esserci“ (Die Materie konnte es nicht geben) von P. Consagra, dessen Werk sich unter einer im Bau befindlichen Autobahnbrücke befindet, dann „L’energia mediterranea“ von A. Di Palma in aussichtsreicher Lage beim Ort Motta d’Affermo. Die große Skulptur weist eine geschwungene Form auf, die die Welle des Meeres darstellen soll, die mit dem Himmel verschmilzt.

Nach einer halbstündigen Fahrt mit dem Auto bergauf gelangt man nach Castel di Lucio und dort trifft man endlich auf grüne Wiesen und Olivenbäume. Auf dem Gipfel eines Hügels befindet sich „Il Labirinto d’Arianna“ (Das Labyrinth der Ariadne) von I. Manfredini, eine mächtige Zement-Konstruktion aus konzentrischen Kreisen. Insgesamt umfassst der Skulpturenweg „Fiumara d’Arte neun Werke.

INFO:
Museo-albergo „Atelier sul Mare“, Via Cesare Battisti, 4 ,Castel di Tusa (Messina)
Tel.: +39 0921.334295, www.ateliersulmare.com


Die Bucht von Castel di Tusa
(Foto P.Gianfelici)

Das „Gemäldezimmer“ (Foto Archiv Presti)

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