Terra Italia

Villa Torlonia: Von der Erhabenheit Roms zu den Eulen im Jugendstil

Paolo Gianfelici

Der epochale Umbruch vom Casino dei Principi (Landhaus der Fürsten) zur Casina delle Civette (Eulenschlösschen). Der Fürst wollte wie ein Bürger leben – und der ‚Proletarier’ Benito Mussolini wie ein Fürst.


Die Casina delle Civette

Rom (Terra Italia) – Die englischen Gärten der römischen Villa Torlonia sind im tropischen Sommer des Jahres 2003, in dem nicht ein Tropfen Regen fiel und Temperaturen jenseits der Norm herrschten, von dunkelgelber Farbe. Glücklicherweise bewegt der von der See her wehende Ponentino die Blätter der Linden, Meerpinien und Palmen und erlaubt den Besuchern des Parks einen sauerstoffreichen Atemzug. Die Orte, die einen Besuch lohnen, sind das Casino dei Principi und die Casina delle Civette. Dagegen ist die große neoklassizistische Villa, die Fürst Giovanni Torlonia zu Beginn des 19. Jahrhunderts erbauen ließ, nicht zu besichtigen. Im letzten halben Jahrhundert war sie dem Verfall preisgegeben.

Beim Betreten des Parks durch den Haupteingang an der Via Nomentana stelle ich mir die glänzenden privaten Feste an den warmen Abenden Roms vor 150 Jahren vor: Die Wege sind mit Fackeln erleuchtet, man vernimmt den Widerhall von Konzertarien. Die adeligen Gäste werden in den mit Fresken ausgemalten Sälen des Casino dei Principi empfangen und gebeten, längs des großen Balkons gegenüber dem Amphitheater Platz zu nehmen, um einem Schauspiel beizuwohnen. In einem mit Fresken geschmückten Saal zeigen große Veduten den Golf von Neapel, der zwischen den Fensteröffnungen und einem Peristyl im korinthischen Stil auftaucht.

Die Statuen aus römischer Zeit und aus der Neoklassik, welche die Gärten der Villa Torlonia zierten, sind heute im Casino dei Principi ausgestellt. Gegen Ende des Rundgangs gibt es eine große Überraschung: das verloren gegangene Schlafzimmer Benito Mussolinis, das kürzlich in einem Lager für öffentliche Versteigerungen wieder gefunden worden ist. Es handelt sich um kunsthandwerkliche Möbel im Stil der Genueser Neo-Renaissance mit Einlegearbeiten aus italienischem Nussbaumholz. Der Chef der faschistischen Regierung wohnte in der Villa von 1923 bis 1943 und zahlte dem Fürsten eine symbolische Miete von einer Lira pro Monat.

Als der Duce seinen Wohnsitz in der Villa Torlonia nahm, war Fürst Giovanni Torlonia jr. schon mehr als zehn Jahre in die in einer Ecke des Parks gelegene Casina delle Civette umgezogen. Das Gebäude ist ein Höhepunkt des Eklektizismus: Bei den Innen- und Außendekorationen finden sich klassische und mittelalterliche Formen sowie viel Jugendstil: (Schmiedeeisen, Holzverzierungen, Mosaike, Wandgemälde, und überaus viel Glas). In Blei gefasste farbige, aber nicht bemalte Glasfenster haben in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts eine Wiedergeburt erfahren. Die Künstler zeichneten die Entwürfe und Handwerker führten die Fenster mit unglaublicher Sorgfalt aus. Im Museum, dem einzigen seiner Art in Italien, kann man die gesamte Entwicklung verfolgen. Geometrische Fenster wechseln mit Blumenfestern mit Rosen, Iris, Weinreben, Schmetterlingen und vor allem Eulen ab, die im Park nisteten und die Obsession des Fürsten waren.

„Vom Casino dei Principi zur Casa delle Civette sind nur wenige Jahrzehnte sowie zwei Generationen des Familie Torlonia vergangen. Wenn wir aber den architektonischen Stil der Gebäude und die Innenausstattung betrachten, scheinen bereits Jahrhunderte verflossen zu sein“, so der Kommentar von Dr. Alberta Campitelli, der Direktorin der Parks und Villen der Stadt Rom (die mich auf diesem Rundgang begleitet hat). ‚Bereits’ deshalb, weil der 20. September 1870, d.h. das Ende des Kirchenstaats und die Annexion der Stadt an das Königreich Italien, dazwischen liegt. Neben der neoklassizistischen Majestät von Rom zeigten sich neue Modelle: Die Aristokraten zogen von ihren Palästen in kleine Jugendstil-Villen um.

Einige Jahrzehnte später wird der ‚Proletarier’ Benito Mussolini jedoch die grandiose Bleibe eines Fürsten zu seinem Wohnsitz auswählen.

Info: www.comune.roma.it/sovraintendenza.


Ein Saal des Casino dei Principi

Das Bett Benito Mussolinis
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