J.Ph. Hackert, Vedute der Valle
Tuscolana mit Marino und Castel Gandolfo (1789)
Rom (Terra Italia) – Der vor kurzem veröffentlichte Band „Campagna Romana von Hackert bis Balla“ hat die Umgebung von Rom in der großen europäischen Malerei zwischen dem ausgehenden 18. und dem beginnenden 20. Jahrhundert zum Thema (Edizioni Studio Ottocento/Edizioni De Luca; Info: www.studioottocento.it).
Das Gebiet am Tyrrhenischen Meer zwischen den Städten Civitavecchia und Terracina einerseits und den Apenninen im Osten andererseits hat immer schon die Adepten der Grand Tour fasziniert. Weltberühmt ist das Gemälde von Tischbein, das Goethe darstellt, wie er auf die sich in der Ferne abzeichnende Campagna Romana blickt. Hunderte von Malern, vor allem Engländer, Deutsche, Franzosen, Russen und Amerikaner (viel weniger aber Italiener selbst) haben die Einsamkeit und das Schweigen jener Stätten dargestellt, die durch wellenförmige Ebenen (agro romano), Überreste von Aquädukten und Mausoleen sowie durch einen Horizont, vor dem sich sanfte Hügel und bewaldete, aber auch baumlose Bergketten abheben, charakterisiert sind. Bis 1870 (Anschluss Roms an das Königreich Italien) war die Campagna Romana Teil der Ewigen Stadt. Rom war eine bäuerliche Metropole: Bestellte Felder, Weiden, Gärten und Weinberge erstreckten sich innerhalb der Aurelianischen Mauer und streiften sogar die Abhänge des Palatins.
Vor Jakob Philipp Hackert (Prenzlau 1737 – Careggi 1807) waren die Landschaften des Latiums lediglich ein „Beiwerk“ zum jeweils dargestellten Hauptthema einer römischen Ruine. Der Erfolg des deutschen Malers, der 1768 nach Rom übersiedelte, ist mit seiner Wahrnehmung der Natur verbunden, die bei ihm der Protagonist des Gemäldes ist. Die europäischen Reisenden, die nach Rom gelangten, überhäuften Hackert mit Aufträgen (der sich seine Bilder teuer bezahlen ließ), da sie beim Betrachten seiner Gemälde die gleichen Emotionen wieder erlebten, die sie empfunden hatten, als sie durch die majestätische Trostlosigkeit der Campagna Romana wanderten.
Der französische Schriftsteller René de Chateaubriand schickte 1804 seinem Freund de Fontanes einen Brief über die Campagna Romana („Lettre a M. de Fontanes“), in dem die Faszination dieser Gegend durch Linien und Ebenen, Licht und Schatten sowie durch Farbabstufungen und harmonische Kolorite veranschaulicht wird. Mit anderen Worten: Der „Brief an M. de Fontanes“ enthält die Beschreibung eines idealen Gemäldes.
Der künstlerische Weg, der von Hackert ausgeht, um bei der futuristischen Malerei von Giacomo Balla (1871-1958) zu enden, umfasst 150 Jahre, während der die Campagna Romana mit sich und ihren Sümpfe, verlassenen Winkeln und einer sehr einfachen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit beinahe identisch geblieben ist.
Was bleibt heute noch von der Campagna Romana? Die Sümpfe sind trockengelegt, neue Städte sind entstanden, Rom hat sich wie ein Öltropfen ausgebreitet. Fern der Autobahnen und der großen Ausfallstraßen, aber weniger als eine halbe Stunde Autofahrt von der Hauptstadt gibt es jedoch immer noch abgelegene Täler, in denen die natürliche Umwelt derjenigen vor zweihundert Jahren ähnlich ist. Wir werden sie auf den Spuren der großen Maler durchstreifen. In späteren Artikeln werden wir ihre Kastanien-, Buchen- und Eichenwälder, ihre Weiden, Olivengärten und Weinberge, ihre Kalk- und Tufffelsen beschreiben – eine sehr abwechslungsreiche Umwelt in kurzer Entfernung von Rom; Orte, die immer sehr starke Eindrücke hinterlassen.
Charles Coleman
Blick auf Rocca Canterano und
die Monti Ruffi (1847)